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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Eines Tages deuteten unsere Sklaventreiber nach Norden und sagten, in dieser Richtung lägen die sechs großen Städte des Wüstenvolkes.«
    »Sechs«, wiederholte ich. »Nicht sieben?«
    » Sechs, aber angeblich sind es große Städte. Das heißt, für diese Schwachköpfe besteht eine große Stadt wahrscheinlich aus mehr als einem Dutzend Lehmhäuser und aus einer zuverlässigen Wasserstelle.«
    »Du glaubst, diese Städte besitzen nicht den Reichtum der legendären Antilia?«
    »Aber ja doch!« erwiderte er sarkastisch. »Unsere Flußindianer haben gesagt, sie treiben Handel mit den Bewohnern dieser schönen Städte. Sie liefern Tierhäute, Süßwassermuscheln und Vogelfedern und bekommen dafür große Reichtümer. Aber was sie Reichtümer nennen, sind nur die billigen blauen und grünen Steine, die ihr Indios so sehr verehrt.«
    »Also nichts, was die Habgier der Spanier wecken könnte?«
    »Hörst du mir nicht zu, Mann? Wir reden von einer Wüste!«
    »Deine Kameraden verheimlichen also dem Pater nichts?«
    »Verheimlichen? Wie das? Ich habe als einziger die Sprachen der Indianer gelernt. Dorantes, mein Herr, weiß nur so viel, wie ich für ihn übersetzt habe. Das war wenig genug, denn es gab kaum etwas zu sagen.«
    »Aber angenommen … also … du nimmst Pater Marcos beiseite und flüsterst ihm zu, daß die Weißen ein Geheimnis haben. Du sagst ihm, daß du weißt , wo unermeßlich reiche Städte liegen.«
    Esteban starrte mich mit offenem Mund an. »Ihn anlügen? Was bringt das, einen Mann anzulügen, der als der Lügende Mönch bekannt ist?«
    »Nach meiner Erfahrung sind Lügner Menschen, die einer Lüge am bereitwilligsten Glauben schenken. Er scheint das Märchen von den Städten Antilias bereits zu glauben.«
    »Und? Ich sage ihm also, daß es sie gibt und daß ich weiß, wo sie liegen. Kannst du mir verraten, warum ich das tun sollte?«
    »Damit du, wie ich dir vor einer Weile vorgeschlagen habe, in die Länder zurückkehren kannst, wo du kein Sklave gewesen bist und wo dir die Frauen gefallen haben. Verstehst du? Damit du nicht als Flüchtling dorthin zurückkehrst.«
    »Hm …«, murmelte Esteban nachdenklich und sichtlich beeindruckt.
    »Du überzeugst den Mönch, daß du ihn zu diesen Städten mit den legendären Schätzen führen kannst. Er wird dir bereitwilliger glauben, wenn er das Gefühl hat, du verrätst ihm etwas, das die weißen Helden für sich behalten haben. Er wird vermuten, sie würden abwarten und ihr Geheimnis dem Marqués Cortés verraten wollten. Er wird sich der Täuschung hingeben, mit deiner Hilfe könne er diese Reichtümer in die Hand bekommen, und zwar vor Cortés oder den Schatzjägern, die Cortés möglicherweise auszusenden vorhat. Er wird es bestimmt so einrichten, daß du ihn dorthin führst.«
    »Aber … wenn wir dort sind, und ich habe nichts vorzuweisen außer lächerlichen Lehmhütten, wertlosen blauen Kieselsteinen und …«
    »Mein Freund, jetzt bist du der Dummkopf! Du führst ihn hin und verlierst ihn unterwegs. Das müßte ein leichtes sein. Wenn er jemals den Rückweg nach Neuspanien finden sollte, kann er nur melden, die wachsamen Hüter dieser Schätze hätten dich vermutlich erschlagen.«
    Estebans Gesicht begann beinahe zu strahlen – wenn etwas Schwarzes überhaupt strahlen kann. »Dann wäre ich frei …«
    »Der Versuch lohnt sich mit Sicherheit. Du mußt nicht einmal lügen. Habgier und Gewinnsucht werden seinem Verstand alle Übertreibungen vorgaukeln, die nötig sind, um ihn zu überzeugen.«
    »Mein Gott, das werde ich tun! Amigo, du bist ein kluger und geschickter Mann. Du solltest der Marqués von ganz Neuspanien sein!«
    Ich wehrte bescheiden ab, doch ich muß gestehen, daß ich selbst auf das raffinierte Komplott sehr stolz war. Esteban wußte natürlich nicht, daß ich ihn benutzte, um meine geheimen Pläne zu fördern. Doch das minderte die Vorteile nicht, die ihm der Plan brachte. Er würde zum ersten Mal im Leben keinem Herrn dienen müssen und somit als freier Mann bei dem fernen Flußvolk leben können. Dort durfte er dann so viele Frauen haben, wie er wollte oder wagte.
    Ich habe unser Gespräch, das die ganze Nacht dauerte, in aller Ausführlichkeit wiedergegeben, denn es wird zur Erklärung beitragen, die ich an anderer Stelle geben werde, wie mein Zusammentreffen mit den Helden und dem Mönch den geplanten Sturz der Herrschaft der Weißen förderte.
    Es stand noch eine weitere Begegnung bevor, die mich zusätzlich ermutigte. Als

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