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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Hälfte nachts. Sie und ihre Familien leben in großen, verschlossenen und bewachten Gebäuden, zu denen ich keinen Zugang hatte. Die Spanier nennen diese Plätze Obrajes.«
    »Ach ja«, sagte ich, und mein Zorn wuchs, »ich kenne die berüchtigten Obrajes.«
    »Es heißt, die Arbeiter sterben wie die Fliegen, denn unser Volk war bisher noch nie gezwungen gewesen, unter der Erde oder unter so schrecklichen Bedingungen schwere Arbeiten zu verrichten. Die Bergwerksbesitzer können sie nicht so schnell ersetzen, wie sie sterben, denn natürlich haben sich alle Indios in Neugalicien, die nicht bereits versklavt waren, schleunigst außer Reichweite der Sklavenfänger begeben und halten sich versteckt. Deshalb hat Gouverneur Coronado den Vizekönig Mendoza in der Stadt Mexico gebeten, eine große Zahl Morosklaven direkt aus ihrer Heimat nach Compostela bringen zu lassen.«
    »Wie ich gehört habe, kommen sie aus einem Land, das die Weißen Afrika nennen.«
    Nochéztli zog eine Grimasse und sagte: »Es muß dort ähnlich sein wie in unseren heißen Ländern weit im Süden. Ich habe gehört, daß die Moros die fürchterliche Hitze, die Enge und den Lärm der Bergwerke und der Hütten gut vertragen. Außerdem müssen die Moros weniger wie Menschen, sondern eher wie die Lasttiere der Spanier sein. Man erzählt, sie können ohne Pause arbeiten und die schwersten Lasten schleppen, ohne zu sterben oder sich auch nur zu beklagen. Wenn man genug Moros nach Neugalicien gebracht hat, wird Coronado vielleicht nicht mehr versuchen, unsere Leute einzufangen und zu versklaven.«
    »Erzähl mir von diesem Gouverneur Coronado.«
    »Ich habe ihn nur zweimal flüchtig zu Gesicht bekommen, als er die Truppen musterte. Er war elegant gekleidet und saß auf einem tänzelnden Pferd. Er ist nicht älter als Ihr, Herr, aber sein Rang ist natürlich niedriger als Eurer, denn er hat Vorgesetzte in der Stadt Mexico, denen er Rechenschaft ablegen muß, und das braucht Ihr als Verehrter Statthalter nicht zu tun. Trotzdem, man kann sehen, daß er entschlossen ist, sich einen Namen zu machen. Er verlangt unerbittlich, daß die Sklaven jedes Bröckchen Silbererz ausbeuten, nicht nur, um sich selbst und seine Untertanen in Neugalicien zu bereichern, sondern ganz Neuspanien und seinen Herrscher Carlos im fernen Spanien. Aber im großen und ganzen scheint Coronado kein solcher Tyrann zu sein wie sein Vorgänger. Im Gegensatz zu Gouverneur Guzmán erlaubt er seinen Untertanen nicht, unsere Leute nach Belieben zu quälen, zu foltern oder zu töten.«
    »Berichte mir von den Waffen des Gouverneurs und den Verteidigungsanlagen von Compostela.«
    »Das ist eigenartig, Herr. Ich kann nur vermuten, daß Yeyac die Stadt davon überzeugt haben muß, daß sie niemals einen Angriff unseres Volkes zu fürchten habe. Neben den üblichen Donnerstöcken der spanischen Soldaten sieht man die sehr viel größeren Donnerrohre auf Rädern. Aber die Soldaten bilden keinen Verteidigungsring um die Stadt. Sie werden in der Hauptsache eingesetzt, um die Sklaven in den Bergwerken zur Arbeit zu zwingen oder um die Obrajes zu bewachen. Die schweren Donnerrohre überall in der Stadt sind nicht nach außen, sondern nach innen gerichtet. Offenbar sollen sie jeden Versuch der Sklaven, sich zu erheben oder zu fliehen, im Keim ersticken.«
    »Interessant«, murmelte ich. Ich rollte mir ein Poquietl, zündete es an und rauchte, während ich über das Gehörte nachdachte. »Hast du sonst noch etwas Wichtiges zu berichten?«
    »Sehr viel, Herr. Guzmán hat zwar behauptet, Michihuácan erobert zu haben, und er hat die wenigen überlebenden Krieger in die Sklaverei geschickt, doch offenbar ist es ihm nicht gelungen, alle zu unterwerfen. Dem neuen Gouverneur Coronado werden regelmäßig Aufstände im Süden seines Gebietes gemeldet, hauptsächlich in der Gegend um den Pátzcuaro-See. Trupps von Kriegern, die nur mit Schwertern aus dem berühmten Metall der Purémpe und mit Fackeln bewaffnet sind, überfallen spanische Außenposten und die Estancias spanischer Siedler. Sie greifen stets bei Nacht an, erschlagen die bewaffneten Posten und stehlen ihre Donnerstöcke. Dann legen sie Feuer und töten die Weißen – Männer, Frauen, Kinder, alle. Die Überlebenden schwören, daß es sich bei den Angreifern um Frauen handelt, obwohl ich nicht weiß, wie sie das erkannt haben wollen, wenn man bedenkt, daß es Nacht war und die Purémpecha sich alle die Köpfe rasieren. Wann auch immer die spanischen

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