Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
dadurch los?« fragte sie hoffnungsvoll, beinahe flehend. »Es wird dich beruhigen.«
    »Ich will nicht ruhig sein!« Sie schlug ihm den Becher aus der Hand. »Ich will es los sein, dieses abscheuliche …«
    »Zehenspitze«, sagte ich streng, »tu, was der Ticitl sagt. Denk daran, wir müssen uns bald wieder auf den Weg machen. Du kannst mich nicht begleiten, wenn du nicht vorher gesund wirst. Nimm das Mittel ein. Dann wird der Arzt mit anderen Ärzten beraten, welche Maßnahmen als nächstes zu ergreifen sind. Ist es nicht so, Ualiztli?«
    »Genauso ist es, Herr«, sagte er und stimmte damit meiner Lüge zu.
    Zehenspitze wirkte zwar immer noch störrisch und trotzig, doch sie trank gehorsam den Becher leer, den der Arzt inzwischen wieder gefüllt hatte. Ualiztli war damit einverstanden, daß sie ihre Kleider zurechtrückte und uns verließ.
    Nachdem wir allein waren, sagte er zu mir und Améyatl: »Sie ist nicht nur erregt. Sie hat den Verstand verloren. Ich habe ihr einen Trank aus dem Absud des Nanátl-Pilzes gegeben. Das wird zumindest ihren inneren Aufruhr besänftigen. Ich weiß nicht, was man sonst noch tun könnte, außer sie mit dem Obsidianmesser aufzuschneiden. Diese drastische Art der Untersuchung überleben jedoch nur wenige Patienten. Ich lasse Euch das Mittel hier, damit sie es einnimmt, wenn die Wahnvorstellungen sich wieder einstellen. Ich bedaure, Herr Tenamáxtzin und Herrin Améyatzin, aber diese Beschwerden sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen.«
    In den nächsten Tagen saß Améyatzin auf einem Thron, der etwas kleiner war als der meine und etwas tiefer zu meiner Linken stand. Sie nahm an meinen Besprechungen mit den Räten teil, wenn der Anlaß eine Ratsversammlung gebot. Außerdem war sie mir bei vielen Entscheidungen behilflich, um die meine Beamten nachsuchten. Sie entlastete mich weitgehend von der mühsamen Bürde der Bittgesuche des gemeinen Volks. Améyatl hatte dabei Pakápeti ständig an ihrer Seite, hauptsächlich, damit wir sicher sein konnten, daß sie sich nichts antat. Meine Cousine hoffte auch, Zehenspitze durch das Geschehen im Thronsaal von ihren zwanghaften und finsteren Gedanken abzulenken.
    Eines Tages wurde ein Bote des Heeres vorgelassen, um mir eine Nachricht zu überbringen. »Herr, der Tequiua Nochéztli meldet, daß sich die Krieger Yeyacs wieder in bester Verfassung befinden.«
    »Dann soll Nochéztli hierher kommen und den Pfeilritter mitbringen.«
    Die beiden erschienen, und der Ritter, der Tapachini hieß, beugte sich demütig nieder und berührte in der Geste des Tlalqualiztli den Boden des Thronsaals. Ich beließ ihn in dieser unterwürfigen Haltung und sagte: »Ich habe dir und deinen Mitverrätern drei Todesarten zur Auswahl angeboten. Ihr habt euch alle für dieselbe entschieden. Es ist soweit, du wirst die Männer noch heute in den Tod führen. Ich verspreche dir, ihr werdet in der Schlacht fallen. In den Augen der Götter ist das ein guter Tod. Und ich sage dir noch etwas. Du wirst die Ehre haben, die Eröffnungsschlacht eines großen und bedingungslosen Krieges anzuführen, um die weißen Eroberer aus der EINEN WELT zu vertreiben.« Tapachini erwiderte, ohne den Kopf zu heben: »Herr, wir durften kaum auf eine solche Ehre hoffen. Wir sind dankbar. Gib uns deine Befehle.«
    »Ihr bekommt alle eure Waffen und Rüstungen zurück. Dann marschiert ihr nach Süden und greift die spanische Stadt Compostela an. Ihr tut Euer Bestes, um sie dem Erdboden gleichzumachen und ihre weißen Bewohner auszurotten. Das wird euch natürlich nicht gelingen. Die Weißen sind euch zahlenmäßig zehnfach überlegen, und eure Waffen sind ihren nicht ebenbürtig. Doch ihr werdet feststellen, daß sich die Stadt durch das Bündnis mit Yeyac in dem falschen Glauben wiegt, vor Angriffen sicher zu sein. Compostela wird auf euch nicht vorbereitet sein. Deshalb wären die Götter und ich traurig, wenn nicht jeder von euch mindestens fünf Gegner töten würde, bevor er selbst fällt.«
    »Verlaßt euch darauf, Herr.«
    »Ich erwarte, davon zu hören. Es wird nicht lange dauern, bis mir die Nachricht von einem so beispiellosen Gemetzel zu Ohren kommt. Aber glaube nicht, daß du mit deinen Männern meinen Blicken entschwunden bist, sobald ihr Aztlan verlassen habt.« Ich wandte mich an Nochéztli. »Wähle starke und treue Krieger als Eskorte aus. Sie sollen Ritter Tapachini und seine Abteilung auf dem Weg nach Süden bis in die unmittelbare Nähe von Compostela begleiten. Es

Weitere Kostenlose Bücher