Der Sohn des Azteken
Angelegenheiten meines Amtes behilflich sein. Es dauerte nicht lange, bis Ualíztli kam. Er trug den Beutel mit Instrumenten und Medikamenten bei sich, den alle Ticiltin immer bei sich tragen. Er war ein älterer, kräftiger Mann, und da er sich beeilt hatte, meinem Befehl nachzukommen, atmete er schwer. Ich ließ von der Dienerin einen Becher Schokolade für ihn holen und befahl ihr, Zehenspitze mitzubringen, was sie auch sofort tat. »Mein lieber Ualiztli«, sagte ich, »diese junge Frau ist meine gute Freundin Pakápeti vom Volk der Purémpe. Zehenspitze, dieser Herr ist der angesehenste Arzt von Aztlan. Améyatzin und ich möchten, daß er dich untersucht, um deinen Gesundheitszustand zu beurteilen.« Sie musterte den Arzt argwöhnisch, erhob jedoch keine Einwände.
Ich sagte zu dem Mann: »Alles weist darauf hin, daß Pakápeti ein Kind bekommt, aber anscheinend hat sie eine schwierige Schwangerschaft. Es liegt uns allen viel daran, deine Meinung und deinen Rat dazu zu hören.« Zehenspitze widersprach sofort: »Ich erwarte kein Kind!«
Doch auf die Bitte des Arztes legte sie sich folgsam auf Améyatls Bett.
»Ayyo, du bist schwanger, meine Liebe«, sagte er, nachdem er sie kurz durch die Kleidung hindurch abgetastet hatte. »Bitte zieh die Bluse hoch und löse das Band, damit ich dich gründlich untersuchen kann.« Es schien Zehenspitze nicht peinlich zu sein, in Améyatls und meiner Gegenwart ihre Brüste und den inzwischen gewölbten Leib zu entblößen. Das Stirnrunzeln, das Seufzen und Murmeln des Arztes, der sie hier und da drückte und betastete, ließ sie offenbar ebenso gleichgültig.
Als er sich schließlich wieder aufrichtete, erklärte sie, bevor er etwas sagen konnte: »Ich bin nicht schwanger! Und ich will es auch nicht sein!«
»Ruhig, mein Kind. Ich hätte dir gewisse Tränke geben können, um eine Frühgeburt auszulösen, aber dazu ist es zu …«
»Ich werde nicht gebären, weder früh noch spät oder überhaupt!« widersprach Zehenspitze heftig. »Ich will, daß dieses Ding in mir getötet wird!«
»Nun ja, eine Frühgeburt hätte der Fötus mit Sicherheit nicht überlebt. Aber jetzt …«
»Es ist kein Fötus. Es ist ein …«, sie wurde rot und mußte sich sichtlich überwinden, aber dann rief sie: »Es ist ein männliches Ding!«
Der Ticitl lächelte nachsichtig. »Hat dir irgendeine dieser Hebammen, die alles besser wissen, gesagt, es ist ein Junge, weil du es hoch trägst? Das ist nichts als alter Aberglaube.«
»Mir hat keine Hebamme etwas gesagt!« erklärte Zehenspitze, die sich immer mehr aufregte. »Ich habe nicht Junge gesagt, sondern männliches Ding. Das Ding, das nur ein Mann …« Sie errötete wieder vor Scham und verstummte. Dann murmelte sie: »Ein Kuru … ein Tepuli.«
Ualiztl sah sie prüfend an. »Ich muß einen Augenblick mit deinem Freund sprechen.« Er zog mich außer Reichweite der Frauen und flüsterte: »Herr, ist da vielleicht ein ahnungsloser Ehemann im Spiel? Ist die junge Frau untreu …«
»Nein, nein«, wehrte ich schnell ab. »Es gibt keinen Ehemann. Pakápeti ist vor mehreren Monaten von spanischen Soldaten vergewaltigt worden. Ich fürchte, daß die schreckliche Vorstellung, das Kind eines Feindes in sich zu tragen, ihr die Sinne etwas verwirrt hat.«
»Falls Purémpe-Frauen nicht anders beschaffen sind als unsere, und daran zweifle ich nicht, hat etwas ihr Inneres durcheinander gebracht. Wenn sie schwanger ist, dann wächst das Kind mehr in der Gegend ihres Magens als im Schoß.« Er runzelte die Stirn und sah mich forschend an. »Aber das ist unmöglich.«
»Kannst du etwas zu ihrer Erleichterung tun?« Er wirkte unsicher. Dann ging er zurück und beugte sich wieder über Zehenspitze. »Du könntest recht damit haben, meine Liebe, daß es kein lebensfähiger Fötus ist. Manchmal kommt es bei Frauen zu einem Gewebewachstum, das eine Schwangerschaft vortäuscht.«
»Ich habe dir gesagt, es wächst. Ich habe dir gesagt, es ist kein Fötus! Ich habe dir gesagt, es ist einTepuli!«
»Bitte, meine Liebe, das ist ein unschickliches Wort für eine wohlerzogene junge Dame. Weshalb bestehst du darauf, einen so unanständigen Ausdruck zu gebrauchen?«
»Weil ich weiß, was es ist! Hol es raus!«
»Armes Kind, du bist sehr erregt.« Er kramte in seinem Beutel.
Ich starrte Pakápeti mit offenem Mund an. Mir fiel etwas ein, und ich fragte mich …
»Hier, trink das«, sagte Ualiztli und hielt ihr einen kleinen Becher hin.
»Werde ich das Ding
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