Der Sohn des Azteken
ich vom Ausgang der Mission erfuhr.
Anstatt ungeduldig herumzusitzen und mir Sorgen zu machen, verwendete ich die Zeit nutzbringend. Ich überließ Améyatl und dem Rat das ganze langweilige und lästige Einerlei der Regierungsgeschäfte, so daß man sich nur bei wichtigen Fragen an mich wandte, und begab mich ins Freie.
Die Sklaven hatten die vier Pferde nach meinen Anweisungen gut gefüttert und gepflegt. Inzwischen waren sie wohlgenährt und warteten darauf, sich zu bewegen. Ich suchte nach Freiwilligen, um ihnen das Reiten beizubringen. Als erstes fragte ich G’nda Ké, denn ich rechnete damit, daß sie und ich als Vorhut meines Heeres bald sehr weit und sehr schnell reisen würden, um Krieger anzuwerben. Doch sie lehnte die Vorstellung, auf einem Pferd zu sitzen, verächtlich ab. Sie sagte in ihrer unnachahmlichen Art: »G’nda Ké weiß alles und kann bereits alles, was sich zu wissen und zu können lohnt. Was macht es für sie einen Sinn, etwas Neues zu lernen? Außerdem hat G’nda Ké viele Male die ganze EINE WELT durchquert und immer zu Fuß, wie es sich für eine anständige Yaki geziemt. Wenn du es vorziehst, dann reite, Tenamáxtli, wie ein verweichlichter Weißer. G’nda Ké ist sicher, daß sie mit dir Schritt halten wird.«
Ich erwiderte trocken: »Du wirst eine Menge deiner kostbaren Sandalen verschleißen.« Doch ich drang nicht weiter in sie.
Als nächstes bot ich den Rittern des Heeres entsprechend ihrer Rangfolge die Möglichkeit, das Reiten zu lernen. Es überraschte mich nicht, als sie ebenfalls ablehnten, wenn auch auf weniger beleidigende Weise als G’nda Ké.
Sie sagten nur: »Herr, Adler und Jaguare würden sich schämen, bei ihrer Fortbewegung von geringeren Tieren abhängig zu sein.«
Also wandte ich mich den Reihen der Cuáchictin zu. Von diesen meldeten sich zwei freiwillig. Wie ich mir hätte denken können, wartete der neue Cuáchic Nochéztli bereits ungeduldig darauf, daß ich ihn fragte. Der andere war ein Mexicatl im mittleren Alter. Er hieß Comitl und hatte als junger Mann zu den Kriegern gehört, die aus Tenochtitlan gekommen waren, um unsere Truppen auszubilden. Er war einer der Männer, die ich im Gebrauch der Arkebusen unterwiesen hatte. Zu meiner Überraschung meldete sich als Dritter der Wundarzt Ticitl Ualiztli, von dem ich bereits gesprochen habe.
»Wenn Ihr nur Männer sucht, die vom Pferderücken aus kämpfen, Herr, dann habe ich natürlich Verständnis dafür, daß Ihr mich abweist. Aber Ihr seht selbst, ich bin zu alt und zu dick, um mit dem Heer zu marschieren und dabei meinen schweren Beutel zu schleppen.«
»Ich weise dich nicht ab. Ualiztli. Ich finde, ein Ticitl sollte in der Lage sein, sich auf dem Schlachtfeld schnell zubewegen, um leichter seine Aufgaben erfüllen zu können. Ich habe viele Spanier zu Pferde gesehen, die sehr viel älter und dicker waren als du. Wenn sie reiten konnten, bist du mit Sicherheit in der Lage, es ebenfalls zu lernen.«
Also brachte ich in diesen Tagen des Wartens den drei Männern alles bei, was ich über den Umgang mit Pferden wußte. Dabei wünschte ich von ganzem Herzen, die viel geschicktere Zehenspitze sei wieder da, um die Ausbildung zu überwachen. Wir übten abwechselnd auf dem gepflasterten Hauptplatz und an anderen, grasbewachsenen Stellen. Wohin wir uns auch begaben, sammelte sich eine Menschenmenge, um aus sicherer Entfernung bewundernd und ehrfürchtig zuzusehen. Ich überließ Ticitl Ualiztli den zweiten Sattel. Comitl und Nochéztli vermieden es tapfer, sich darüber zu beklagen, daß sie auf dem bloßen Rücken ihrer Pferde saßen.
»Das wird euch abhärten«, versicherte ich ihnen. »Wenn wir später den weißen Soldaten ihre Pferde mit Sätteln wegnehmen, wird euch das Reiten sehr viel leichter fallen.«
Als meine drei Schüler zumindest ebenso geschickt reiten konnten wie ich, lenkte mich der Unterricht nicht länger von meiner Besorgnis ab.
Seit dem Abmarsch von Tapachini und seinen Männern waren sieben Tage vergangen, Zeit genug für einen schnellen Boten, nach Aztlan zurückzukehren. Doch nichts geschah. Der achte Tag ging vorüber und dann der neunte. In dieser Zeit hätte die ganze Eskorte eintreffen müssen.
»Irgend etwas ist schiefgegangen«, knurrte ich am zehnten Tag und lief schlecht gelaunt mit großen Schritten im Thronsaal auf und ab. Im Augenblick ließ ich mir meine Sorge nur gegenüber Améyatl und G’nda Ké anmerken. »Und es ist mir nicht möglich herauszufinden, was!«
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