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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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meinetwillen, bald wieder in Atzlan zu sein.«
    Ich trat vor das versammelte Heer und rief: »Krieger! Wie es aussieht, haben Yeyacs niederträchtige Männer uns wieder verraten. Sie haben meinen Befehl, sich bei einem Angriff auf das Bollwerk der Spanier zu opfern, entweder nicht befolgt oder dabei versagt. Deshalb werden wir mit unserer gesamten Streitmacht angreifen. Es ist allerdings sehr wahrscheinlich, daß Compostela uns erwartet. Deshalb, ihr Ritter und Cuáchictin, achtet auf meine Befehle. In den ersten drei Tagen werden wir wie üblich in Kolonnen marschieren, damit wir so schnell wie möglich vorwärtskommen. Am vierten Tag werde ich weitere Befehle ausgeben. Und jetzt: Vorwärts, marsch!«
    Ich ritt natürlich an der Spitze des Zuges, dicht gefolgt von den drei anderen berittenen Männern. Hinter ihnen wiederum kamen die Krieger in einer Kolonne von Viererreihen. Wir bewegten uns im schnellen Laufschritt vorwärts. G’nda Ké ging am Schluß. Sie trug weder Rüstung noch Waffen, denn sie würde nicht kämpfen, sondern mich nach dem Kampf auf der Reise in den Norden begleiten, wo ich Krieger anderer Völker anwerben wollte.
    Es gibt ein kleines Tier, das unter Bäumen lebt und das wir Huitzlaiuáchi nennen. Die Spanier haben dafür den Namen Puerco espin, Stachelschwein. Es hat kein Fell, sondern starrt am ganzen Körper von Stacheln. Niemand weiß, weshalb Mixcoatl, der Gott der Jäger, dieses Tier erschaffen hat, denn sein Fleisch schmeckt den Menschen nicht, und Raubtiere halten sich wegen seiner undurchdringlichen Rüstung aus Stacheln vernünftigerweise von ihm fern. Ich erwähne das nur, weil ich mir vorstelle, unser marschierendes Heer muß ähnlich gewirkt haben wie ein Stachelschwein, wenn auch eines von ungeheurer Länge. Jeder Krieger trug über einer Schulter seinen langen Speer und über der anderen den kürzeren Wurfspeer mit der dazugehörigen Schleuder. Die Kolonne war ebenso stachlig wie jenes Tier. Doch sie war sehr viel leuchtender und bunter, denn das Sonnenlicht brach sich auf den Obsidianspitzen der Waffen, dazwischen ragten die mehrfarbigen Banner, Standarten und Wimpel der verschiedenen Einheiten in die Luft, und ich ritt mit meinem auffallenden Kopfputz allen voran. Aus der Ferne betrachtet, müssen wir in der Tat sehr eindrucksvoll gewirkt haben. Ich wünschte nur, unsere Zahl wäre größer gewesen.
    Um die Wahrheit zu sagen, ich war nach der kurzweiligen Nacht mit Améyatl ziemlich müde. Da ich mich wach halten wollte, winkte ich den Tícitl Ualíztli zu mir, damit ich mich beim Reiten mit ihm unterhalten konnte. Wir sprachen über verschiedene Dinge, auch darüber, auf welche Weise mein Vetter Yeyac den Tod gefunden hatte.
    »Die Arkebuse tötet, indem sie eine Metallkugel hervorschleudert«, sagte er nachdenklich. »Was für eine Wunde ruft das hervor, Tenamáxtzin? Wie bei einem Stoß oder einem Schlag? Dringt die Kugel in den Körper ein?«
    »Ich kann dir versichern, sie dringt in den Körper ein, ähnlich wie ein Pfeil, aber mit sehr viel mehr Kraft und viel tiefer.«
    »Ich habe erlebt, daß Männer mit einem Pfeil im Körper überleben und sogar weiterkämpfen. Sogar mit mehreren Pfeilen, wenn kein lebenswichtiges Organ getroffen ist. Ein Pfeil verschließt natürlich durch seine Beschaffenheit die Wunde, die er verursacht hat, und verhindert die Blutung in einem beachtlichen Ausmaß.«
    »Die Bleikugel verhält sich anders«, sagte ich. »Wenn ein Mann mit einer Pfeilwunde sofort versorgt wird, kann der Ticitl den Pfeil herausziehen und die Verletzung behandeln. Eine Kugel zu entfernen, ist beinahe unmöglich.«
    »Trotzdem«, sagte Ualiztli, »wenn die Kugel keinem inneren Organ einen nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügt, besteht die einzige wirkliche Gefahr für das Opfer nur darin, daß es verblutet.« Ich erwiderte: »Ich habe dafür gesorgt, daß bei Yeyac genau das geschehen ist. Sobald die Kugel in seinen Bauch eingedrungen war, habe ich ihn mit dem Gesicht nach unten gelegt, damit sein Lebensblut schneller floß.«
    »Hm …«, murmelte der Ticitl und ritt eine Weile schweigend neben mir. Dann sagte er: »Ich wünschte, man hätte mich gerufen, als Ihr ihn nach Aztlan brachtet. Es wäre gut, ich hätte die Wunde untersuchen können. Ich bin sicher, in den kommenden Tagen werde ich es mit vielen solcher Verletzungen zu tun haben.« Unser Heer marschierte drei Tage in Kolonne, wie ich es befohlen hatte. Denn ich wollte meine Krieger alle dicht beinander

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