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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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dürfte höchstens ein Marsch von fünf Tagen sein. Wenn der Ritter Tapachini den Angriff gegen die Stadt führt, und erst dann, soll die Eskorte umkehren und mir Meldung erstatten. Auf dem Weg in den Süden sind er und seine Krieger ständig zu bewachen. Es marschieren einhundertachtunddreißig Männer. Genauso viele werden es auch beim Angriff auf Compostela sein. Verstanden, Tequíua Nochéztli?«
    »Jawohl, Herr.«
    »Und du, Ritter Tapachini«, sagte ich streng. »Bist du mit diesen Bedingungen zufrieden?«
    »Herr, ich kann Euch kaum einen Vorwurf daraus machen, daß wir uns Eures Vertrauens nicht als würdig erwiesen haben.«
    »Dann geh! Es mag dir vieles verziehen sein, wenn du das Blut der Weißen in Strömen und dein eigenes vergossen hast.«
    Nochéztli begleitete Tapachinis Männer und die Eskorte auf dem ersten Tagesmarsch. Am Abend kam er zurück und erstattete mir am nächsten Morgen Bericht.
    »Keiner der Verurteilten hat versucht zu fliehen, Herr. Es gab keine unerfreulichen Vorfälle, und als ich sie verlassen habe, waren es immer noch einhundertachtunddreißig Männer.«
    Ich lobte Nochéztli nicht nur für die unermüdliche und beharrliche Aufmerksamkeit, mit der er sich jeder Einzelheit dieses Einsatzes gewidmet hatte. Ich beförderte ihn auch, denn das hatte er verdient. »Von diesem Tag an bist du ein Cuáchic, ein alter Adler. Außerdem gestatte ich dir, die Krieger, die unter deinem Befehl stehen werden, selbst auszuwählen. Falls einer der hochmütigen Ritter oder der anderen Cuáchictin sich darüber beschwert, sag ihnen, sie sollen sich an mich wenden.«
    Nochéztli beugte sich so glücklich und hastig vor, um die Erde zu küssen, daß er beinahe auf meine Füße gefallen wäre. Nachdem er sich auf meinen Befehl hin wieder aufgerichtet hatte, verließ er mich mit dem Zeichen noch größerer Hochachtung. Er ging den ganzen Weg zur Tür des Thronsaals rückwärts.
    Doch er war kaum gegangen, als ein anderer Krieger darum bat, vorgelassen zu werden. Er hatte eine Frau aus dem niederen Volk mitgebracht, die sehr verängstigt wirkte. Sie berührten beide den Boden in der Tlalqualiztli-Geste, und der Mann sagte: »Vergebt meine Zudringlichkeit, Herr. Aber diese Frau ist in unsere Kaserne gekommen und hat gemeldet, daß sie eine Leiche in ihrer Gasse gefunden hat, als sie heute morgen die Haustür öffnete.«
    »Weshalb sagst du das mir, lyac? Es war vermutlich jemand, der sich zu Tode getrunken hat.«
    »Verzeiht, Herr, wenn ich das richtigstelle. Es war ein Krieger, und er wurde von rückwärts erstochen. Außerdem hat man ihm seine Rüstung bis auf das Schamtuch ausgezogen und ihm die Waffen weggenommen.«
    »Woher weißt du dann, daß es sich um einen Krieger handelt?« fuhr ich ihn an, gereizt darüber, daß ich den Tag mit so etwas beginnen mußte. Bevor der lyac antwortete, verbeugte er sich noch einmal und berührte den Boden. Ich drehte mich um und sah, daß Améyatl den Thronsaal betreten hatte. »Herr, ich weiß es, weil ich als Wache der Gefangenen im Coyolxauqui-Tempel Dienst getan habe. Deshalb erkannte ich den Toten. Es war einer der verabscheuenswerten Komplizen Yeyacs.«
    »Das ist unmöglich«, murmelte ich verwirrt. »Sie sollten gestern alle die Stadt verlassen. Das ist auch geschehen. Hundertachtunddreißig Männer haben …« Améyatl unterbrach mich. Ihre Stimme klang unsicher. »Tenamáxtzin, hast du Zehenspitze irgendwo gesehen?«
    »Wie bitte?« fragte ich noch verwirrter. »Sie war heute morgen nicht wie sonst an meinem Bett. Ich kann mich nicht erinnern, sie gesehen zu haben, seit wir drei gestern den Thronsaal verließen.« Améyatl und ich ahnten den Zusammenhang sofort. Doch wir suchten zusammen mit allen Dienstboten und sogar mit G’nda Ké in jedem Winkel des Palastes und auf dem ganzen Gelände nach ihr. Niemand fand Pakápeti, aber ich machte eine bedeutsame Entdeckung. Einer der drei versteckten Donnerstöcke fehlte. Damit war alles klar. Zehenspitze war vorsätzlich ausgezogen, um zu töten – und was immer sich in ihrem Leib befand töten zu lassen. Sie suchte den Tod.
     
     

20
     
    Ich hatte mir ausgerechnet, daß die Truppen des Ritters Tapachini und ihre Eskorte Compostela in etwa fünf Tagen erreichen konnten. Die Eskorte würde für den Rückweg weniger Zeit brauchen. Falls sich ein guter Läufer darunter befand, würde er vielleicht vorauseilen und noch früher eintreffen, um mir Bericht zu erstatten. Jedenfalls blieben mir noch ein paar Tage, bis

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