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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Pflanzen zu sammeln, die es im Überfluß gab, und um unsere Wassersäcke aufzufüllen. Lange Zeit lebten wir gut und freuten uns des Lebens.
    Bis zum heutigen Tag wünsche ich beinahe, die Reise wäre auch weiterhin so friedlich verlaufen. Doch wie ich an anderer Stelle gesagt habe, Ualiztli war nicht jung. Ich will dem guten alten Mann keine Schuld an dem geben, was geschah und unsere heitere Fahrt nach Süden störte. Ich erwachte mitten in der Nacht mit dem unbestimmten Gefühl, länger als die mir zustehende Zeit geschlafen zu haben. Ich überlegte, weshalb Ualiztli mich nicht geweckt hatte, damit ich das Paddeln übernahm. Dicke Wolken verbargen den Mond und die Sterne, und die Nacht war so schwarz, daß ich nichts sehen konnte. Ich sagte etwas zu Ualiztli, dann wiederholte ich es laut und immer lauter, und da er nicht antwortete, mußte ich mich das ganze Acáli entlangtasten, nur um festzustellen, daß er und sein Paddel verschwunden waren. Ich werde nie erfahren, was aus ihm geworden ist. Vielleicht war ein Seeungeheur aus dem nächtlichen Meer aufgetaucht und hatte ihn so leise, daß ich nicht davon erwachte, gepackt und in die Tiefe gezerrt. Vielleicht hatte er einen der Anfälle bekommen, die bei alten Männern nicht selten sind, denn selbst Ticiltin sterben, und er war über den Rand des Kanus gefallen. Doch wahrscheinlicher ist, daß Ualiztli einfach eingeschlafen war und mit dem Paddel in der Hand über Bord gegangen war. Er hatte womöglich den Mund voller Wasser, bevor er um Hilfe rufen konnte, und war ertrunken. Ich hatte keine Ahnung, wie lange vor meinem Aufwachen das gewesen sein mochte und wie weit das Kanu inzwischen von der Unglücksstelle entfernt war. Mir blieb nichts anderes übrig, als dazusitzen und auf das erste Tageslicht zu warten. Ich konnte nicht einmal das zweite Paddel benutzen, denn ich wußte nicht, wie lange das Boot auf dem Wasser getrieben war oder in welcher Richtung das Land lag.
    Üblicherweise wehte nachts ein auflandiger Wind. Bisher hatten wir unseren Kurs in der Dunkelheit gehalten, indem wir darauf achteten, daß der Wind auf der rechten Wange des Paddelnden stand. Doch der Windgott Ehécatl schien ausgerechnet in dieser Nacht, die nicht schlimmer hätte sein können, launisch zu sein. Es wehte nur eine leichte Brise, die mich zuerst auf der einen Gesichtshälfte, dann auf der anderen streifte. Bei der sanften Luftbewegung hätte ich eigentlich das Rauschen der Brandung hören müssen. Aber ich hörte nichts. Das Kanu schaukelte stärker als üblich – vermutlich hatte mich das geweckt. Deshalb fürchtete ich, weit vom sicheren Ufer abgetrieben zu sein.
    Der erste Schimmer Tageslicht zeigte mir, daß genau das geschehen war und in einem beunruhigenden Maß immer noch geschah. Nirgends war Land zu sehen. Der helle Schimmer am Himmel ermöglichte mir wenigstens festzustellen, wo Osten lag. Ich griff zum Paddel und begann, verzweifelt und wie rasend zu paddeln. Aber ich konnte das Kanu nicht auf Kurs halten. Ich war von einer der Gezeitenströmungen erfaßt worden, von denen die Fischer gesprochen hatten. Selbst wenn es mir gelang, den Bug nach Osten, in Richtung Land zu halten, trieb ich in der Strömung ab. Ich versuchte, mich damit zu trösten, daß ich nach Süden getragen wurde, nicht wieder in den Norden oder – es war zu erschreckend, darüber nachzudenken – nach Westen und noch weiter hinaus auf das Meer, von wo kein Mensch jemals zurückgekommen war.
    Ich paddelte den ganzen Tag und den folgenden und den nächsten und kämpfte darum, nach Osten zu gelangen, ohne dabei nach Süden abgetrieben zu werden. Schließlich konnte ich die Tage nicht mehr zählen. Ich machte nur Pausen, um hin und wieder einen Schluck Wasser zu trinken und einen Bissen zu essen. Ich setzte nur dann längere Zeit aus, wenn ich völlig erschöpft war, Krämpfe hatte oder die Augen nicht mehr offenhalten konnte. Doch wie oft ich auch erwachte und wieder zum Paddel griff, am Horizont im Osten tauchte kein Land auf. Schließlich gingen meine Vorräte an Wasser und Nahrung zur Neige. Ich war leichtsinnig gewesen. Ich hätte Fische fangen sollen, die ich roh hätte essen und aus denen ich trinkbare Säfte hätte pressen können. Als meine Vorräte erschöpft waren, fehlten mir bereits die Kräfte zum Fischen. Ich verwendete meine ganze verbliebene Energie auf das vergebliche Paddeln. Meine Gedanken begannen zu wandern, und ich stellte fest, daß ich laut Selbstgespräche führte: »Die

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