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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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schwungvolle Geste mit dem Schwertarm, damit die Azteca losstürmten. »Wenn ihr fallt, dann fallt vorwärts!«
     
     

29
     
    Das Denkwürdigste an einer Schlacht ist der schwindelerregende Tumult und die atemberaubende Verwirrung. Da ich viele Schlachten erlebt habe, kann ich das mit Fug und Recht sagen. Aber an die Schlacht um Tonalá, an mein erstes großes Gefecht, habe ich einige deutlichere Erinnerungen, die ich, so grausam alles auch scheinen mag, der Wahrheit zuliebe in meinen Bericht aufnehmen möchte.
    Während wir vier Berittene über das offene Gelände galoppierten und uns in das Getümmel stürzten, flogen uns nur ein paar verirrte Bleikugeln um die Ohren. Sie richteten keinen Schaden an, denn die spanischen Soldaten waren vollauf mit den Yaki beschäftigt. Ich erinnere mich noch genau an die sehr einprägsamen Geräusche des Zusammenpralls mit dem Feind, als wir, die neuen Angreifer, auf ihn eindrangen. Ich denke dabei weniger an das Klirren der Waffen als an den Lärm der Stimmen. Ich und Nochéztli und alle Azteca, die uns folgten, stießen die traditionellen Schreie der verschiedensten wilden Tiere aus. Doch die Spanier riefen den Namen ihres Kriegsheiligen: »Por Santiago!« Zu meiner Überraschung hatten Uno und Dos, unsere beiden Weißen, ebenfalls einen Schlachtruf. Sie brüllten etwas, das für mich klang wie: »For Harry and Saint George!« obwohl ich selbst in den Tagen meiner christlichen Unterweisung nie etwas von Heiligen mit den Namen ›Harry‹ und ›George‹ gehört hatte.
    Von ferne, aus der Stadt, drangen andere Geräusche herüber. Manche klangen trocken wie Donnerschläge, andere nur wie ein gedämpftes Grollen. Es waren die Explosionen der Granaten unserer Kriegerinnen. Die spanischen Offiziere hätten in diesem Augenblick bestimmt gerne ein paar Männer vom Kampf auf dieser Seite der Stadt abgezogen und ihnen befohlen, die Ursache für das unerklärliche Donnern herauszufinden. Aber dazu blieb ihnen keine Zeit, denn ihre Männer waren inzwischen in der Minderheit und kämpften um ihr Leben. Mein Plan funktionierte, denn beides, die Schlacht und ihr Leben, war bald zu Ende.
    Wenn es Heilige mit den Namen Harry und George gibt, dann verliehen sie ihren Anhängern größere Stärke als Santiago den seinen. Uno und Dos schwankten zwar unsicher in den Sätteln und Steigbügeln, doch sie teilten auf ihren Pferden so unermüdlich, gnadenlos und tödlich Hiebe nach rechts und links aus wie ich und Nochéztli. Wir zielten alle vier auf die Hälse und Gesichter der Soldaten, die einzigen verwundbaren Stellen zwischen den Helmen und Brustplatten aus Stahl, und unsere Aztéca-Krieger mit ihren Obsidianschwertern taten das gleiche. Die Yaki brauchten allerdings nicht so genau zu zielen. Sie hatten die unhandlichen langen Speere für den Nahkampf weggeworfen und schwangen beinahe wahllos ihre Keulen aus eisenhartem Holz. Ein Schlag auf den Kopf eines Gegners beulte den Helm tief genug ein, um den Schädel darunter zu spalten. Ein Schlag auf den Körper verbog die Brustplatte, so daß der Getroffene entweder starb, weil Knochen und Organe zerschmettert waren, oder er erstickte qualvoll, weil seine Brust sich nicht mehr weiten konnte, um Luft aufzunehmen.
    Während uns die spanischen Soldaten einer nach dem anderen zum Opfer fielen, sprangen und rannten andere Bewohner der Stadt in panischer Angst über das Schlachtfeld. Sie versuchten, ihr Leben zu retten und zu fliehen.
    Von ferne konnte ich sehen, daß viele Menschen in ihrer Verzweiflung auf das offene Gelände vor der Stadt eilten. Keiner von ihnen trug eine Rüstung oder eine Uniform, und in der Mehrzahl waren sie spärlich bekleidet, weil sie geradewegs aus den Betten kamen. Bei den meisten handelte es sich um die Sklaven des Viertels, das wir für unseren Angriff ausgewählt hatten. Das Kampfgetümmel hatte natürlich inzwischen ganz Tonalá geweckt. Deshalb befanden sich unter den Flüchtlingen auch viele, ebenfalls kaum bekleidete spanische Männer und Frauen, die hofften, für Sklaven gehalten zu werden und mit dem Leben davonzukommen. Aber das gelang den wenigsten. Wir ließen alle Menschen unserer oder dunklerer Hautfarbe vorbei, aber jeder Weiße, der in Reichweite unserer Waffen kam, wurde unabhängig von Geschlecht und Alter sofort mit der Keule erschlagen. Zu meinem Bedauern wurden versehentlich auch zwei Pferde der Spanier getötet. Vier oder fünf andere liefen reiterlos mit wilden Augen und geblähten Nüstern herum und

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