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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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haben. Zweifellos überzeugte sie ihn zu sätzlich mit gespielter jungmädchenhafter Unwissenheit und gab zumindest in ihrer Hochzeitsnacht vor, alles ver gessen zu haben, was sie mit mir so lange geübt hatte.
    Améyatl und Káuri heirateten nur wenige Tage bevor ich, meine Mutter Cuicáni und Onkel Mixtzin uns auf den Weg in die Stadt Mexico machten. Mein Onkel be wies damals Weitblick, als er nicht seinen Sohn und wahrscheinlichen Erben Yeyac, sondern seine kluge Tochter und ihren Mann zu Regenten ernannte.
    Es sollte lange, sehr lange dauern, bis ich Améyatl wie dersah. Das geschah schließlich unter Umständen, die sich keiner von uns auch nur im entferntesten hätte vor stellen können, als sie uns an jenem Schicksalstag zum Abschied fröhlich winkte.
     
     

5
     
    Ich stand dort, wo einst der Mittelpunkt der EINEN WELT gewesen war. Mein Knöchel war ganz weiß, weil ich die Hand so fest um den Topas schloß, der meinem Vater gehört hatte. Empört verlangte ich von meinem Onkel und meiner Mutter, irgend etwas zu tun, um den Tod dieses Mixtli zu rächen.
    Meine Mutter schluchzte nur. Doch Onkel Mixtzin be trachtete mich voll Mitgefühl, das durch Skepsis und Sarkasmus gemäßigt wurde.
    »Was sollen wir deiner Meinung nach denn tun, Tena máxtli? Die Stadt in Flammen setzen? Stein brennt aber nicht bereitwillig, und wir sind nur zu dritt. Du weißt auch, daß selbst der allmächtige Staat der Mexica sich nicht gegen die Weißen behaupten konnte. Was sollen wir also deiner Meinung nach tun?«
    Ich begann einfältig zu stottern: »Ich … ich …«, dann verstummte ich, um meine Gedanken zu ordnen. Zu meiner eigenen Verwunderung konnte ich meinem On kel kurz darauf eine klare Antwort geben.
    »Die Mexica waren wie gelähmt, denn sie wurden von einem Volk überfallen, von dessen Existenz sie nichts ge ahnt hatten. Überraschung und Verwirrung haben zum Untergang der Mexica geführt. Sie ahnten nicht, wozu die Spanier fähig waren, sie hatten keine Vorstellung von ihrer Gerissenheit und Eroberungslust. Jetzt weiß die gesamte EINE WELT, was für Menschen diese Weißen sind.«
    Mein Onkel nickte, und ich fuhr leidenschaftlich fort: »Wir haben allerdings noch nicht herausgefunden, worin die Schwäche der Spanier besteht. Ich meine, auch sie müssen irgendwo einen wunden Punkt haben, eine ungeschützte Stelle, wo man sie angreifen und ihnen den Bauch aufschlitzen kann!« Onkel Mixtzi hob die Arme und sagte: »Wo ist der Schwachpunkt? Zeig ihn mir! Ich werde dir dann und mit Freuden beim Aufschlitzen helfen. Du und ich allein gegen ganz Neuspanien!«
    »Bitte mach dich nicht über mich lustig, Onkel. Ich erinnere dich an eines deiner Gedichte: ›Verzeih niemals … am Ende springst du ihnen an die Kehle.‹ Die Spanier haben bestimmt eine verwundbare Stelle. Man muß sie nur finden.«
    »Und wer soll das tun? Du vielleicht, Neffe? In den vergangenen zehn Jahren hat keiner der Besiegten und Versklavten einen Riß in der spanischen Rüstung gefunden. Ich frage dich: Wie willst du das anstellen?«
    »Ich habe jedenfalls schon einen Freund unter unseren Feinden gefunden. Es ist dieser Notarius, der unsere Sprache spricht. Er hat mich eingeladen, jederzeit zu ihm zu kommen und mich mit ihm zu unterhalten. Vielleicht kann ich ihm einen nützlichen Hinweis entlocken …«
    »Dann geh zu ihm. Rede mit diesem Mann. Wir werden hier warten.«
    »Nein, nein!« Ich schüttelte den Kopf. »Es wird bestimmt lange Zeit dauern, bis ich sein Vertrauen gewonnen habe und auf nützliche Enthüllungen hoffen kann. Du bist mein Onkel und mein Uey-Tecutli, deshalb bitte ich dich um Erlaubnis, hier in der Stadt bleiben zu dürfen, wie lange es auch dauern mag.«
    Meine Mutter murmelte traurig: »Ayya, ouiya …«, und Onkel Mixtzin rieb sich nachdenklich das Kinn. Schließlich fragte er: »Wo willst du leben? Wie willst du leben? Die Kakaobohnen in unseren Beuteln lassen sich nur auf unseren einheimischen Märkten als Zahlungsmittel verwenden. Man hat mir bereits gesagt, daß hier für alle Einkäufe oder Zahlungen sogenannte Münzen notwendig sind … goldene, silberne und kupferne Münzen. Du hast keine, und ich habe keine, die ich dir geben könnte.«
    »Ich werde mir eine Arbeit suchen und dafür bezahlt werden. Vielleicht kann mir der Notarius dabei behilflich sein. Vergiß nicht, der Tlatocapili Tototl hat gesagt, daß sich zwei seiner Kundschafter aus Tépiz immer noch hier irgendwo in der Stadt aufhalten. Sie müssen inzwischen

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