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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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sprichst nicht einmal deine eigene Sprache besonders gut.«
    »Es stimmt, das moderne Náhuatl dieser Stadt beherrsche ich nicht. Mein Onkel sagt, daß wir in Aztlan so sprechen, wie es vor langer Zeit üblich war. Aber bisher hat mich jeder verstanden, den ich hier getroffen habe. Außerdem ist dir vielleicht aufgefallen, daß viele der Leute, die hier übernachten und von weit im Norden aus den Gebieten der Chichiméca kommen, unterschiedliche Náhuatl-Dialekte sprechen. Trotzdem verstehen sich alle ohne große Schwierigkeiten.«
    »Ach! Wen interessiert schon, was diese Leute, die Hundemenschen, sagen?«
    »›Hundemenschen‹? Da irrst du dich, Cuati Pochotl. Ich habe viele Mexica gehört, die alle Chichiméca ›Hundemenschen‹ nennen … und die Zácachichiméca die ›wilden Hundemenschen‹. Aber das stimmt nicht. Der Name leitet sich nicht von Chichine, dem Wort für Hund, ab, sondern von chichiltic, und das heißt rot. Sie alle gehören vielen verschiedenen Stämmen und Sippen an. Wenn sie sich Chichiméca nennen, meinen sie damit nur, daß sie Rothäute sind. Das heißt schlicht und einfach, sie sind mit uns, den Bewohnern der EINEN WELT, verwandt.«
    Pochotl schnaubte. »Nicht mit mir! Die Chichiméca sind ein unwissendes, schmutziges und grausames Volk.«
    »Das liegt doch nur daran, daß sie ihr Leben in der Wüste dort oben im Norden verbringen.«
    Er zuckte die Schultern. »Trotzdem, weshalb willst du die Sprache der Spanier lernen?«
    »So kann ich etwas über die Spanier erfahren, über ihr Wesen, ihren christlichen Aberglauben – alles.«
    Pochotl tunkte mit dem letzten Stück seines Bolillo den letzten Rest Suppe auf und sagte: »Du hast den Mann gesehen, der gestern verbrannt worden ist. Dann weißt du alles, was jemand von uns über die Spanier und Christen wissen muß.«
    »Ich weiß bereits etwas anderes. Mein Krug, den ich vor der Kathedrale abgestellt hatte, ist verschwunden. Ein Christ muß ihn gestohlen haben. Ich hatte ihn nur geliehen. Jetzt bin ich den Mönchen einen Krug schuldig.«
    »Wovon im Namen aller Götter sprichst du?«
    »Ach nichts«, erwiderte ich lachend und betrachtete nachdenklich den Bettler, Schmarotzer und Müßiggänger, wie er sich selbst nannte. Pochotl kannte die Stadt schon sein Leben lang. Ich beschloß, ihm zu vertrauen. »Ich möchte alles über die Spanier wissen, weil ich sie vernichten will.«
    Er lachte rauh. »Wer will das nicht? Aber wer ist dazu in der Lage?«
    »Vielleicht ich und du.«
    »Ich?!« Er lachte schallend. »Du ?! « Ich versuchte, meine Idee zu verteidigen. »Ich habe die gleiche militärische Ausbildung wie die Krieger der Mexica, die einmal der Stolz und der Schrecken aller Völker der EINEN WELT waren.«
    »Die Ausbildung hat diesen stolzen Kriegern viel genutzt«, brummte er. »Wo sind sie jetzt? Die wenigen, die noch leben, laufen mit einem Brandzeichen im Gesicht durch die Straßen der Stadt. Und du rechnest dir aus, mehr Erfolg zu haben als sie?«
    »Ich glaube, ein entschlossener Mann, der seine ganze Kraft aufbietet, kann alles erreichen, was er will.«
    »Bestimmt nicht alles.« Er lachte wieder schallend. »Auch wir beide zusammen schaffen das nicht.«
    »Wir müssen uns natürlich noch mit anderen verbünden, mit vielen anderen, mit den Chichiméca zum Beispiel, die du so verachtest!« Er sah mich skeptisch an, schwieg aber. Deshalb fuhr ich fort: »Ihr Gebiet ist von den Spaniern nicht erobert worden, und sie sind noch immer frei. Vergiß nicht, sie sind nicht das einzige Volk im Norden, das den Weißen trotzt. Wenn sich alle freien Völker und Stämme erheben und nach Süden marschieren …«
    Die Leidenschaft ließ mich beinahe jede Vorsicht vergessen. Erschrocken über meine Kühnheit senkte ich den Kopf. »Pochotl, wir werden ausführlicher darüber reden, wenn ich meine Studien aufgenommen habe.«
    »›Reden‹ … das ewige Gerede ändert überhaupt nichts.«
    Ich mußte nicht lange am Eingang des Kollegiums warten, bis der Notarius Alonso kam und mich herzlich begrüßte.
    »Ich hatte fast befürchtet, Tenamáxtli, du könntest deinen Entschluß geändert haben.«
    »Eure Sprache zu lernen? Ich bin fest entschlossen …«
    »Ein Christ zu werden«, sagte er.
    »Wie?« rief ich überrascht. »Darüber haben wir nie gesprochen.«
    »Ach …« Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Aber das ist doch selbstverständlich! Das Kollegium ist eine Parochial-Schule.«
    »Das Wort sagt mir nichts, Cuati

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