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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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zu unterscheiden. Neuspanien ist eine so junge Kolonie, daß es so etwas bisher nicht gibt. Wir haben noch andere Namen für jede mögliche Mischung von weißem Blut mit dem Blut von Moros und Indios. Coyotes, Barcinos, Bajunos, die unglückseligen Pintojos mit gefleckter Haut und viele mehr. Es mag lästig und schwierig sein, Aufzeichnungen darüber zu führen, aber wir müssen sie führen, und wir tun es, um die Menschen jeden Ranges, vom höchsten bis zum niedersten, zweifelsfrei einordnen zu können.«
    »Natürlich …«, murmelte ich noch einmal. Nach diesem Gespräch wurde mir auf den Straßen der Stadt deutlich bewußt, daß viele Angehörige meiner Rasse die ihnen von den Spaniern aufgezwungene Vorstellung, sie seien minderwertige Menschen, vorbehaltlos akzeptierten. Daß sie sich mit dem Urteil abfanden, brachten sie ausgerechnet durch ihre Haare zum Ausdruck.
    Die Spanier wissen seit langem, daß die Mehrheit der Völker in der EINEN WELT deutlich weniger behaart ist als sie. Wir ›Indios‹ haben dichtes Kopfhaar, aber abgesehen von wenigen Ausnahmen findet man in unseren Gesichtern und an unseren Körpern nur leichte Spuren von Behaarung. Unsere Mütter waschen die Gesichter ihrer Söhne von Geburt an mit sehr heißem Kalkwasser. Deshalb sprießt ihnen in der Jugend nicht einmal Bartflaum. Mädchen müssen diese Behandlung natürlich nicht über sich ergehen lassen. Aber ob Mann oder Frau, uns wachsen weder Haare auf der Brust noch in den Achselhöhlen, und nur wenige Menschen haben im Genitalbereich einen Anflug von Ymáxtli.
    Weiße Spanier sind behaart, und weiße Spanier sind nach ihrer eigenen Definition den Indios bei weitem überlegen. Ich vermute, daß das Blut eines weißen Vorfahren, ganz gleich, wie sehr es sich über Generationen hinweg verdünnt, an alle Nachkommen die Behaarung vererbt. Deshalb verloren unsere Männer allmählich den Stolz auf ihre glatten und unbehaarten Gesichter. Die Jugendlichen, auf deren Wangen der dünnste Flaum sproß, ließen ihn wachsen und hofften, daß daraus ein Vollbart sprießen werde. Niemand, dem Haare auf der Brust oder unter den Armen wuchsen, zupfte oder rasierte sie mehr.
    Noch schlimmer war, daß selbst hübsche junge Frauen, denen an den Beinen oder unter den Armen Haare wuchsen, sich deshalb nicht schämten. Sie begannen sogar, kurze Röcke zu tragen, um die behaarten Beine zu zeigen. Sie schnitten die Ärmel ihrer Blusen ab, damit man die kleinen Büschel in den Achselhöhlen sah. Bis auf den heutigen Tag stellen unsere Männer und Frauen, die im Gesicht oder am Körper behaart sind, das zur Schau, ganz gleich, ob es sich nur um einen dünnen Flaum oder beinahe um einen dichten Pelz handelt. Natürlich geben sie damit den Makel ihrer Mischlingsgeburt zu erkennen. Das stört sie aber nicht, denn sie lassen uns auf diese Weise wissen: ›Ihr Glatthäutigen mögt die gleiche Hautfarbe haben wie ich, aber ich und ihr, wir gehören nicht derselben niederen und verachteten Rasse an. Ich habe mehr Körperhaare, und das bedeutet, in meinen Adern fließt spanisches Blut. Man braucht mich nur anzusehen, um zu erkennen, daß ich etwas Besseres bin als ihr.‹
    Doch ich eile meiner Chronik voraus. Als ich in die Stadt Mexico kam, waren nicht viele Mestizen und Mulatten und andere Mischlinge zu sehen. Mein neunzehnter Geburtstag lag einige Zeit zurück, aber an welchem Tag er laut christlichem Kalender sein sollte, konnte ich nicht genau sagen, da ich damals nicht sehr vertraut mit diesem Kalender war. Die weißen und schwarzen Eroberer lebten noch nicht lange genug unter uns, um bereits ältere Nachkommen zu haben als jene, die zusammen mit mir die Schule besuchten.
    Seit meiner Ankunft in der Stadt fiel mir die große Zahl der Betrunkenen auf. Selbst bei den zügellosesten religiösen Festen in Aztlan gab es nicht so viele. Zu jeder Tages- und Nachtzeit torkelten Männer und nicht wenige Frauen durch die Straßen oder brachen bewußtlos zusammen, so daß die Vorübergehenden über sie hinwegsteigen mußten. Unsere Völker, sogar unsere Priester, waren nie völlig enthaltsam gewesen. Aber sie hatten auch bei Festen nur selten im Übermaß berauschende Getränke genossen, etwa die vergorene Kokosmilch von Aztlan oder den Tesguino, den die Rarámuri aus Mais herstellen, den Chápari, den die Purémpecha aus Bienenhonig gewinnen, oder den überall verbreitete Octli, den die Spanier Pulque nennen und der aus der Metl-Pflanze hergestellt wird, die bei den Spaniern

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