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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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sie in der Stadt zu verkaufen, sowie der stämmigen Tamémime, die diese Waren getragen hatten. Dabei lernte ich eine Reihe nützlicher Wörter und Redewendungen der südlichen Sprachen – das Mixtéca des Volkes, das sich ›Menschen der Erde‹ nennt, und das Tzapotéca derer, die sich als ›Wolkenmenschen‹ bezeichnen. Ich eignete mir sogar viele Worte der Sprachen an, die in den Gebieten von Chiapa und Quautemálan gesprochen werden. In der Herberge befand ich mich, wie ich bereits gesagt habe, häufig unter Fremden aus dem Norden. Ich habe auch erwähnt, daß die Chichiméca ein etwa ebenso altertümliches, aber verständliches Náhuatl sprachen wie ich. Deshalb unterhielt ich mich hauptsächlich mit den Otomi und Purémpecha und den sogenannten Läufern. Auf diese Weise lernte ich manche nützlichen Ausdrücke der Otomite-, der Pore- und der Raramurisprache. Zu Hause in Aztlan hatte ich nie Gelegenheit gehabt festzustellen, wie leicht es mir fiel, fremde Sprachen zu erlernen. Jetzt kam mir diese Begabung zustatten. Ich vermutete, daß diese Fähigkeit ein Erbe meines Vaters war, denn er hatte sie zweifellos auf seinen ausgedehnten Reisen durch die EINE WELT erworben. Die Sprachen einiger unserer Völker unterschieden sich zwar sehr vom Náhuatl, und ich hatte manchmal große Mühe bei der Aussprache, doch keine unterschied sich so sehr und war so schwierig wie das Spanische, und es brauchte auch bei keiner so lange, bis ich sie fließend beherrschte.
    In der Herberge konnte ich mich außerdem jeden Abend mit dem ehemaligen Goldschmied Pochotl unterhalten, der offensichtlich beschlossen hatte, für den Rest seines Lebens die Gastfreundschaft der Mönche von San José in Anspruch zu nehmen. Manche unserer Unterhaltungen bestanden nur darin, daß ich zuhörte und versuchte, nicht zu gähnen, wenn er die endlose Liste seiner Klagen und Beschwerden aufzählte – über die Spanier, über das Tonáli, das von Geburt an sein gegenwärtiges Elend vorherbestimmt hatte, und über die Götter, die ihm dieses Tonáli auferlegten. Doch häufiger hörte ich ihm aufmerksam zu, denn er hatte wirklich Aufschlußreiches zu berichten. So verdanke ich zum Beispiel Pochotl mein erstes Wissen über die Ordnung, die Ränge und staatlichen Einrichtungen, durch die Neuspanien beherrscht und regiert wurde.
    »Die Person von allerhöchstem Stand«, sagte er, »ist ein gewisser Mann namens Carlos. Er residiert in der Alten Welt, wie die Spanier es nennen. Manchmal sprechen sie von ihm als ›König‹, manchmal als ›Kaiser‹, manchmal auch als ›die Krone‹ oder ›der Hof‹. Aber er entspricht eindeutig einem Verehrten Sprecher, wie wir Mexica ihn früher hatten. Vor vielen Jahren schickte dieser König Schiffe mit Kriegern aus, um einen Ort namens Kuba zu erobern und zu kolonisieren. Kuba ist eine sehr große Insel irgendwo hinter dem Horizont im Ostmeer.«
    »Ich habe davon gehört«, sagte ich. »Sie wird jetzt von unehelichen Mischlingen der verschiedensten Hautfarben bevölkert.«
    Er blinzelte und sagte: »Was?«
    »Das ist nicht weiter wichtig. Bitte sprecht weiter, Cuati Pochotl.«
    »Von diesem Kuba ist vor ungefähr zwölf oder dreizehn Jahren der Generalkapitän Hernán Cortés hierher gekommen, um die Eroberung der EINEN WELT zu leiten. Cortés ging natürlich davon aus, daß der König ihn zum Herrn und Meister aller unterworfenen Länder machen würde. Es ist inzwischen jedoch allgemein bekannt, daß viele der Würdenträger in Spanien und ein großer Teil seiner eigenen Offiziere neidisch auf den anmaßenden Cortés waren. Sie überredeten den König, ihn eine feste Hand spüren zu lassen. Deshalb trägt Cortés jetzt den eindrucksvollen, aber nichtssagenden Titel eines Marqués del Valle – diesem Tal von Mexico. Die wahren Herrscher sind die Mitglieder der sogenannten Audienca. Früher wäre das der Staatsrat des Verehrten Sprechers gewesen. Cortés hat sich verärgert auf seinen Besitz südlich von hier in Quaunáhuac zurückgezogen.« Ich unterbrach ihn: »Ich habe gehört, daß der Ort nicht mehr Quaunáhuac heißt.«
    »Ja und nein. Unseren Name dafür, ›Am Waldrand‹, sprechen die Spanier Cuernavaca aus, und das ist lächerlich. Es bedeutet in ihrer Sprache ›Kuhhorn‹. Jedenfalls sitzt Cortés jetzt dort auf seinem prächtigen Besitz und grollt. Ich weiß nicht wieso. Seine Schafherden, die Zuckerrohr-Pflanzungen und die Tribute, die er immer noch von zahlreichen Stämmen und Völkern erhält, haben

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