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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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siquiera triquitraques. Nada.«
    »Aber was ist Pulver?« fragte ich. »Woraus wird es gemacht?«
    » Das werde ich dir nicht verraten. Es war unvorsichtig genug, dich mit der Arkebuse herumspielen zu lassen. Wir haben den Befehl, keinem Indio zu erlauben, eine unserer Waffen in die Hand zu nehmen. Ich würde schon jetzt schwer bestraft. Über die Zusammensetzung des Schießpulvers darf ich mit dir auf keinen Fall sprechen.« Ich muß niedergeschlagen gewirkt haben, denn er lachte. »Aber soviel verrate ich dir: Schießpulver ist offensichtlich etwas für Männer, in vielerlei Hinsicht. Seltsamerweise ist eine der Zutaten ein sehr intimer Beitrag der Frauen.«
    Er lachte immer noch, während er seiner Arbeit nachging und ich mich verdrückte. Er nahm keine Notiz von meinem Weggehen, und er hatte auch nicht bemerkt, daß das bißchen Schießpulver, das er mir auf die Hand geschüttet hatte, in den Beutel an meinem Gürtel gewandert war. Außerdem hatte ich unauffällig einen Schlüssel zum Drehen des Rades aufgehoben, den ich im Gras neben einer Arkebuse entdeckte. Mit diesen Dingen eilte ich zur Kathedrale, damit ich nichts von dem vergessen würde, was er mir gezeigt hatte. Ich erreichte Alonsos Zimmer kurz nach Beginn des Abendgebets. Deshalb traf ich den Notarius dort nicht mehr an – vermutlich war er bei der Andacht. Ich fand einen Bogen Rindenbastpapier und begann mit einem Stück Holzkohle zu zeichnen: das Kätzchen und den Bügel, die Katzenpfote, das Rad, die spiralförmig aufgerollte Feder …
    »Bist du zurückgekommen, um heute abend noch zu arbeiten?« fragte Alonso, als er durch die Tür trat. Es gelang mir, nicht zusammenzuzucken oder erschrocken zu wirken. »Ich übe nur ein paar Wortbilder«, antwortete ich beiläufig und zerknitterte das Papier, behielt es aber in der Hand. »Wir übersetzten ja immer nur die Arbeiten anderer Scribenten. Ich fürchte, ich werde das Schreiben verlernen. Da ich nichts Besseres zu tun hatte, wollte ich üben.«
    »Das gefällt mir. Ich möchte dich nämlich etwas fragen.«
    »A su servicio, Cuati Alonso«, sagte ich und hoffte, nicht unruhig zu wirken.
    »Ich komme gerade von einem Gespräch mit Bischof Zumárraga, dem Archidiakon Suárez-Begega, dem Ostiarius Sánchez-Santoveña und anderen Würdenträgern. Sie sind sich alle darin einig, daß es Zeit wird, die Kathedrale schöner und prächtiger auszustatten. Wir haben bisher nur deshalb behelfsmäßige Gefäße, Leuchter und ähnliches benutzt, weil bald eine neue Kathedrale gebaut werden muß. Da sich jedoch Dinge wie Kelche, Monstranzen, Ciborien und Weih Wasserbecken, ja selbst größere Gegenstände wie ein Lettner und ein Taufbecken ohne viel Mühe in die neue Kathedrale hinübertragen lassen, wurde heute beschlossen, daß wir all diese kostbaren Dinge bereits jetzt in Auftrag geben, und zwar so, daß sie einer Kathedrale angemessen sind.«
    »Ihr fragt mich doch bestimmt nicht nach meiner Zustimmung?«
    Er lächelte. »Wohl kaum. Aber vielleicht kannst du dabei von Nutzen sein, denn ich weiß, daß du durch die ganze Stadt streifst. Die Gegenstände und Geräte müssen aus Gold, Silber und Edelsteinen angefertigt sein. In deinem Volk hat man früher solche Arbeiten in hoher Vollendung ausgeführt. Ich dachte, bevor wir einen Ausrufer durch die Straßen schicken und einen Goldschmiedemeister suchen, könntest du vielleicht jemanden vorschlagen.«
    »Cuati Alonso!« Ich klatschte fröhlich in die Hände. »Ich kenne den richtigen Mann.«
    In der Herberge sagte ich zu Pochotl: »Kennst du die spanischen Waffen, die wir Donnerstock nennen?«
    »Die Arkebuse? Ja.« Er sah mich finster an. »Jedenfalls habe ich erlebt, was sie anrichten kann. Eine von ihnen hat meinen älteren Bruder durchlöchert, als hätte ihn ein unsichtbarer Speer getroffen.«
    »Weißt du, wie eine Arkebuse funktioniert?«
    »Wie sie funktioniert? Nein? Woher denn?«
    »Du bist ein Meister in deinem Handwerk und besitzt große Geschicklichkeit. Würdest du dir zutrauen, eine Arkebuse herzustellen?«
    »Ich soll etwas herstellen, was ich nicht kenne? Was ich nur von ferne gesehen habe? Ohne auch nur zu wissen, wie es funktioniert? Mein lieber Freund, bist du tlahuéle oder nur xolopitli?«
    Beide Worte bedeuten in unserer Sprache ›verrückt‹. Tlahuéle nennt man einen gewalttätigen und gefährlichen Verrückten. Xolopitli ist jemand, der eher verträumt und harmlos, aber nicht ganz klar im Kopf ist.
    Ich ließ mich nicht beirren.

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