Der Sohn des Azteken
perlweißen Zähne. »Du hast ja gehört, wie er stottert und stammelt. Jedes Wort ist für ihn eine Qual, wenn er in der Klasse etwas sagt.«
»Jedenfalls verhelfen die Nonnen euch Waisen zu einer Schulbildung«, sagte ich, »das heißt, wenn man Religionsunterricht als Bildung bezeichnen kann.«
»Ich lerne, weil ich selbst den Schleier nehmen und Nonne werden will.«
»Ich dachte, es sind Schuhe«, sagte ich verwirrt. »Wie?«
»Schon gut. Was bedeutet das, ›den Schleier nehmen‹?«
»Ich werde die Braut Christi.«
»Ich dachte, er ist tot.«
»Du hörst unserem Tete wirklich nicht zu, Juan Británico«, sagte sie, und sie klang so vorwurfsvoll wie Alonso. »Ich werde dem Namen nach die Braut von Jesus Christus. Alle Nonnen sind seine Bräute.«
»Das ist jedenfalls besser als der Name Canalluza«, sagte ich. »Wird der häßliche Pardo Niebla Zonzón seinen Namen auch ändern können?«
»Vaya al cielo – no!« erwiderte sie lachend. »Er hat zu wenig im Kopf, um in einen Orden einzutreten. Der arme dumme Zonzón geht vom Klassenzimmer in den Keller und arbeitet dort als Gerber. Deshalb riecht er immer so schlecht.«
»Dann sag mir, was das bedeutet, die Braut eines toten Gottes zu werden.«
»Es bedeutet, daß ich wie alle Bräute den Rest meines Lebens allein ihm widme. Ich entsage jedem sterblichen Mann, jedem Vergnügen, jeder Leichtfertigkeit. Sobald ich meine Erste Kommunion hinter mir habe, werde ich eine Novizin im Kloster. Danach bin ich der Pflicht, dem Gehorsam und dem Dienen geweiht.« Sie senkte den Blick. »Und der Keuschheit.«
»Noch ist es nicht soweit«, erwiderte ich sanft.
»Aber bald«, flüsterte sie mit noch immer niedergeschlagenen Augen.
»Rebeca, ich bin beinahe zehn Jahre älter als du.«
»Du siehst gut aus«, sagte sie, ohne den Blick zu heben. »Ich werde mich in all den Jahren, in denen ich außer Jesus Christus niemanden habe, an dich erinnern können.« In diesem wehmutsvollen Augenblick war das kleine Mädchen beinahe liebenswert und ganz sicher bedauernswert. Ich konnte eine so scheue und zarte Bitte nicht abschlagen, selbst wenn ich es gewollt hätte. Also vereinbarten wir, uns nach Einbruch der Dunkelheit an einem Platz zu treffen, wo wir ungestört waren, und dort gab ich ihr das, woran sie sich erinnern wollte. Doch trotz ihrer Mithilfe war unser Zusammenkommen nicht leicht. Zuerst stellte ich fest, wie ich es eigentlich hätte voraussehen können, daß es schwierig war, sich der spanischen Kleider – ihrer und meiner – auf halbwegs manierliche Weise zu entledigen. Es erforderte unangenehme Verrenkungen, die das Vergnügen zweier Menschen, die sich auszogen, beträchtlich minderten. Die nächste Schwierigkeit war die unterschiedliche Körpergröße. Ich bin um einiges größer als andere Aztécatl und Mexicatl. Meine Mutter sagte, ich habe die Größe meines Vaters Mixtli geerbt. Und wie ich erwähnt habe, war Rebeca trotz all ihrer weiblichen Rundungen noch ein kleines Mädchen. Es war ihr erster Versuch, und wir stellten uns an diesem Abend so unbeholfen an, daß es sehr gut auch mein erster hätte sein können. Sie war einfach nicht in der Lage, die Beine weit genug zu spreizen, damit ich richtig dazwischen kam. Deshalb konnte mein Tepuli nicht mehr als seine Spitze in ihr Tipíli stecken. Nach mehreren erfolglosen Versuchen entschieden wir uns schließlich für die Art der Kaninchen. Sie stützte sich auf Ellbogen und Knie, ich stand hinter ihr. Doch jetzt erwies sich ihr ausladendes Hinterteil als Hindernis. Ich lernte aus dieser Erfahrung zweierlei. Rebecas Haut war an den Geschlechtsteilen noch dunkler als überall sonst, doch als sich die schwarzen Lippen dort unten öffneten, war sie innen so blütenrosa wie jede andere Frau, die ich kennenlernte. Außerdem war Rebeca Jungfrau, als wir begannen. Ich bemerkte etwas Klebriges und stellte fest, daß ihr Blut so rot war wie das der anderen Menschen. Seit damals bin ich geneigt zu glauben, daß alle Menschen aus dem gleichen Stoff gemacht sind, ganz gleich, welche Farbe ihre Haut hat. Rebeca fand großes Vergnügen an ihrer ersten Ahuilnéma. Deshalb nutzten wir danach jede sich bietende Gelegenheit. Ich konnte ihr einige der besonderen Dinge zeigen, die ich von der Auyanimi in Aztlan gelernt und dann durch Übung mit meiner Cousine Améyatl zur Vollkommenheit gebracht hatte. Rebeca und ich fanden großen Gefallen aneinander, bis zum Vorabend des Tages, an dem Bischof Zumárraga sie und mehrere
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