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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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drei verschiedenen Zutaten. Die eine ist schwarz, die andere gelb und die dritte weiß.«
    Netzlin brummte skeptisch: »Soviel gewissenhafte und heikle Arbeit …. aber wie soll dir das weiterhelfen? Bei den Körnchen könnte es sich um die Pollen beliebiger Blüten handeln.«
    »Aber es sind keine Pollen«, sagte ich. »Bei zwei Bestandteilen habe ich bereits herausgefunden, worum es sich handelt. Dazu habe ich nur ein paar Körnchen auf die Zunge gelegt und probiert, wie sie schmecken. Die schwarzen sind nichts anderes als gewöhnliche Holzkohle. Die gelben sind der Staub der verkrusteten Absonderungen, die man um die Krater aller Vulkane findet. Die Spanier benutzen das Zeug noch für andere Dinge. Sie machen damit Früchte haltbar, sie stellen Farben her und brennen ihre Weinfässer damit aus. Sie nennen es ›Schwefel‹.«
    »Diese beiden Dinge könntest du also leicht beschaffen«, sagte Netzlin. »Aber was sind die weißen Körnchen?«
    »Ich kann nur sagen, daß sie ähnlich wie Salz schmecken, nur schärfer und bitterer. Deshalb habe ich das Pulver mitgebracht.« Ich wandte mich an Citláli. »Der Soldat hat von Frauen gesprochen.«
    Sie lächelte gutmütig, zuckte aber hilflos die Schultern. »Ich sehe die weißen Körnchen, aber ich habe keine Ahnung, was es sein könnte. Warum sollten die Augen einer Frau mehr sehen als deine, Tenamáxtli?«
    »Vielleicht geht es nicht um die Augen«, sagte ich. »Man weiß, daß die Sinne und die Intuition einer Frau sehr viel feiner sind als die eines Mannes.« Sie lachte über mein Kompliment. »Paß auf, ich werde ein paar Körnchen herausfischen.« Ich hatte die kleine Feder mitgebracht und trennte damit eine winzige Menge der weißen Körnchen von den anderen. »Versuch es, Citláli.«
    »Muß das sein?« fragte sie und warf einen schiefen Blick auf die Körnchen. Dann beugte sie sich seufzend vor, denn ihr gewölbter Leib war ihr dabei im Weg, senkte den Kopf bis dicht über das Papier und schnupperte. »Muß ich sie wirklich probieren?« fragte sie noch einmal und verlagerte das Gewicht wieder auf die Fersen. »Sie riechen genau wie Xitli.«
    »Xitli?« riefen Netzlin und ich gleichzeitig. Wir sahen sie verständnislos an, denn das Wort bedeutet ›Urin‹.
    Citláli errötete verlegen und sagte: »Jedenfalls wie mein Xitli. Verstehst du, Tenamáxtli, wir haben in der Straße nur eine einzige öffentliche Toilette. Nur wenige Frauen benutzen sie zum Urinieren. Die meisten von uns haben Axixcaltin-Töpfe. Wenn sie voll sind, tragen wir sie hinaus und schütten sie in die Grube der Toilette.«
    »Aber ich bin sicher, niemand, auch keine spanische Frau, uriniert Pulver «, sagte ich. »Es sei denn, Citláli, du bist ein sehr ungewöhnliches Wesen.«
    »Das bin ich nicht, du Einfaltspinsel!« erwiderte sie mit gespieltem Ärger und errötete wieder. »Mir ist allerdings aufgefallen, daß sich am Boden des Axixcáli weißliche Kristalle bilden, wenn das Xitli eine Zeitlang im Topf steht.«
    Ich kniff die Augen zusammen und dachte nach. »So wie sich manchmal Moos auf dem Boden eines Wasserkrugs bildet oder wie sich Kalk absetzt«, erklärte sie, als halte sie mich für beschränkt. Ich starrte sie an, und sie errötete noch mehr. »Wenn man die Kristalle, von denen ich rede, auf einem Métlatl-Stein ganz fein zerstoßen würde«, fuhr sie stockend fort, »bekäme man ein Pulver mit so weißen Körnchen wie diesen hier.«
    Ich flüsterte beinahe: »Du hast es vielleicht getroffen, Citláli.«
    »Wie?« rief ihr Mann. »Du glaubst, deshalb hat der Soldat Frauen mit dem geheimen Pulver in Verbindung gebracht?«
    »In eine intime Verbindung«, erinnerte ich ihn. »Aber unterscheidet sich das Xitli einer Frau von dem eines Mannes?«
    »Du weißt so gut wie ich, daß es sich zumindest in einer Hinsicht unterscheidet. Du mußt es doch schon gesehen haben. Wenn ein Mann sein Wasser im Gras abläßt, hat das so gut wie keine Wirkung. Aber dort, wo eine Frau uriniert, wird das Gras braun und stirbt ab.«
    »Du hast recht«, sagten er und seine Frau gleichzeitig, und Netzlin fügte hinzu: »Das ist etwas so Alltägliches, daß kein Mensch darüber nachdenkt.«
    »Auch Holzkohle ist etwas Alltägliches«, sagte ich, »genau wie der gelbe Schwefel der Vulkane. Es leuchtet ein, daß etwas so Gewöhnliches wie das Xitli einer Frau den dritten Bestandteil des Pulvers bilden könnte. Citláli, verzeih meine Dreistigkeit und Unhöflichkeit, aber kann ich mir deinen Axixcáli-Topf eine

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