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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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nicht einmal den Versuch zur Rebellion wagen würden. Um Männer zu finden, die sich wie ich nicht der Herrschaft der Spanier beugen wollten und kämpferisch genug waren, die Eroberer der EINEN WELT herauszufordern, mußte ich den Weg zurück in den Norden gehen, in die nicht unterworfenen Länder. »Es wäre natürlich schön, wenn du mitkommst«, sagte ich zu Citláli. »Deine wohltuende Nähe und Unterstützung ist für mich wunderbar gewesen …« Ich konnte sehen, daß sie den Tränen nahe war. Mir fehlten angesichts ihrer unverhüllten Gefühle die Worte. Etwas verlegen und unsicher fuhr ich fort: »… deine Nähe, deine Unterstützung und nun ja, alles, was du mir bedeutest. Aber du bist eine Frau und ein paar Jahre älter als ich. Du wirst vielleicht feststellen, daß ich auf dem langen Weg in den Norden für dich zu schnell bin, insbesondere, weil du Ehécatl an der Hand führen mußt.«
    »Du gehst also wirklich«, murmelte sie unglücklich.
    »Aber trotz allem, was ich dem Notarius gesagt habe, gehe ich nicht für immer. Ich habe vor zurückzukommen. Ich bin zuversichtlich. Ich werde an der Spitze bewaffneter Truppen die Weißen von jedem Feld, aus jedem Wald, jedem Dorf und jeder Stadt, auch aus dieser hier, wegjagen. Allerdings kann das nicht in naher Zukunft geschehen. Deshalb werde ich dich nicht bitten, auf mich zu warten, liebe Citláli. Du bist eine außergewöhnlich hübsche Frau. Du wirst vielleicht einen anderen guten und liebevollen Mann finden, aquin ixnentla?« Sie schwieg und ließ den Kopf sinken. Ich hatte Mühe, nicht selbst traurig zu werden.
    »Ehécatl ist inzwischen alt genug. Du kannst sie mitnehmen, wenn du mit deinen Körben zum Markt gehst. Von den Einnahmen aus dem Verkauf kannst du gut leben. Außerdem bleibt dir für Notfälle die Summe, die wir beiseite gelegt haben. Vergiß nicht, ohne mich hast du einen Mund weniger, der gefüttert werden muß …«
    Sie unterbrach mich. »Ich würde auf dich warten, liebster Tenamáxtli, ganz gleich, wie lange es dauert. Aber wie kann ich hoffen, daß du jemals zurückkommen wirst? Du setzt dein Leben aufs Spiel.«
    »Das wäre hier genauso, Citláli. Auch du hast bereits dein Leben aufs Spiel gesetzt. Wenn man mich bei den Versuchen mit dem Schießpulver erwischt hätte, wärst du mit mir am Pfahl verbrannt worden.«
    »Ich würde überall hingehen und alles tun, wenn wir nur zusammenbleiben könnten.«
    »Aber da ist Ehécatl …«
    »Ja«, flüsterte sie. Plötzlich brach sie in Tränen aus und fragte: »Weshalb beharrst du so entschlossen auf deinem verrückten Plan? Warum kannst du dich nicht mit der Wirklichkeit abfinden, sie anerkennen und ertragen, wie alle anderen auch?«
    »Warum?« wiederholte ich fassungslos.
    »Ayya, ich weiß, was die Weißen deinem Vater angetan haben, aber …«
    »Ist das nicht Grund genug?« schnaubte ich. »Ich kann immer noch sehen, wie er brennt!«
    »Gewiß, und sie haben deinen Freund, meinen Mann, erschlagen. Aber was haben sie dir getan, Tenamáxtli? Du bist weder verletzt noch beleidigt worden, abgesehen von den wenigen Worten des Mönchs im Mesón. Von jedem anderen Weißen, dem du begegnet bist, hast du nur Gutes berichtet. Die Freundlichkeit des Notarius Molina und der anderen Lehrer, die dir ihr Wissen vermittelt haben, selbst der Soldat, der deine Suche nach dem Schießpulver ausgelöst hat …«
    »Abfälle von ihrem Tisch, von dem reich gedeckten Tisch, der einmal uns gehört hat! Ich weiß nicht, ob mein Tonáli bestimmt, daß ich unserem Volk diesen Tisch wieder zurückgebe. Aber ich bin sicher, es fordert mich auf, den Versuch zu wagen. Ich weigere mich zu glauben, daß ich geboren wurde, um mich mit Abfällen zufriedenzugeben. Deshalb will ich mein Leben wagen.«
    Citláli seufzte so tief, daß sie in sich zusammenzusinken schien. Schließlich fragte sie mit tonloser Stimme: »Wie lange werde ich dich noch bei mir haben? Wann willst du gehen?«
    »Nicht sofort. Ich werde mich nicht mit gesenktem Kopf und eingekniffenem Schwanz davonschleichen wie ein Hund. Ich will etwas hinterlassen, was die Stadt Mexico und ganz Neuspanien an mich erinnert. Ich denke dabei an etwas, das wir gemeinsam durchführen können.« Ich konnte Citláli im Grunde nicht widersprechen. Ich hatte durch die Spanier niemals Schmerzen, Entbehrungen, Gefangenschaft oder auch nur Demütigungen erlitten. Doch während meiner Jahre in der Stadt hatte ich eine Vielzahl von Menschen meiner Rasse getroffen und gesehen, denen

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