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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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würden ihn als einen im Kampf Gefallenen willkommen heißen und wohlwollend behandeln. Natürlich war die Explosion keine Schlacht gewesen, doch ich hatte dem Feind erneut einen Schlag versetzt. Nach zwei solchen unerklärlichen Vorfällen mußten sich die Weißen eingestehen, daß sie plötzlich von Rebellen umgeben waren. Diese Erkenntnis würde sie beunruhigen wenn nicht sogar in Angst und Schrecken versetzen. Ich war, wie ich meiner Mutter und Onkel Mixtzin versprochen hatte, zum Wurm in der Coyacapúli-Frucht geworden, der sie von innen aushöhlte. Für den Rest des Tages schwärmten mit Sicherheit alle verfügbaren Soldaten durch die Stadt und durchsuchten die Indio-Viertel. Sie überprüften Häuser, Marktstände, sowie die Taschen und Bündel eingeborener Männer und Frauen und zwangen manche sogar, sich auszuziehen. Doch schon nach einem Tag gaben sie ihre Bemühungen wieder auf. Vermutlich waren die Offiziere zu der Erkenntnis gelangt, wenn es irgendwo illegales Schießpulver gab, dann konnte es mühelos versteckt werden, so wie ich es getan hatte. Falls man die einzelnen Zutaten fand, waren sie für sich genommen völlig harmlos, und ihr Besitz ließ sich ohne Mühe rechtfertigen. Erfreulicherweise kamen die Soldaten nicht zu uns. Ich wartete gelassen ab und freute mich über die Verwirrung der Weißen. Am nächsten Tag erschrak ich jedoch, als ein Bote des Notarius Alonso kam, der wußte, wo ich lebte. Er ließ mich bitten, ihn so bald wie möglich aufzusuchen. Ich zog meine spanische Kleidung an und ging zur Kathedrale. Ich begrüßte ihn und gab mir Mühe, nichtsahnend und unschuldig zu wirken.
    Alonso erwiderte meinen Gruß nicht, sondern sah mich eine Weile verdrießlich an, bevor er sagte: »Denkst du immer noch jedesmal an mich, wenn du das Brennglas benutzt, Juan Británico?«
    »Aber natürlich, Cuati Alonso. Wie Ihr gesagt habt, es ist sehr nützlich …«
    »Nenn mich nicht mehr Cuati«, unterbrach er mich barsch. »Wir sind nicht länger Zwillinge, Brüder oder auch nur Freunde. Und ich fürchte, du hast es aufgegeben, so zu tun, als seist du ein Christ – sanftmütig und friedfertig, ehrerbietig und gehorsam gegenüber diesem Glauben und deinen Oberen.«
    Ich erwiderte kühn: »Ich war niemals sanftmütig und friedfertig, und ich habe die Christen nie als meine Oberen betrachtet. Nennt mich nicht mehr Juan Británico.« Alonso sah mich finster an, beherrschte sich jedoch. »Hör gut zu. Ich habe offiziell nichts mit der Suche der Armee nach dem Verantwortlichen für bestimmte Vorfälle zu tun, durch die in jüngster Zeit der Frieden in der Stadt gestört worden ist. Aber ich bin so besorgt, wie jeder anständige und pflichtbewußte Bürger der Stadt es sein sollte. Ich beschuldige dich nicht persönlich, aber ich weiß, du hast einen großen Bekanntenkreis. Ich glaube, du könntest den verantwortlichen Übeltäter ebenso schnell finden, wie du den Goldschmied gefunden hast, als wir einen brauchten.«
    Ich sagte unerschrocken: »Ich bin so wenig ein Verräter an meinem Volk, wie ich Eurem Volk gehorsam bin.«
    Er seufzte. »So sei es also. Wir waren einmal Freunde, und ich werde dich nicht bei den Behörden anzeigen. Aber ich warne dich. Sobald du diesen Raum verläßt, wirst du beobachtet und überwacht. Jede deiner Bewegungen, jede Begegnung, jede Unterhaltung, jedes Niesen wird gehört und gemeldet. Früher oder später wirst du entweder dich oder einen anderen verraten, vielleicht sogar einen Menschen, an dem dir viel liegt. Du kannst sicher sein, wenn nicht du am Pfahl brennst, irgendeiner wird brennen.«
    »Mit dieser Drohung kann ich nicht leben«, sagte ich. »Ihr laßt mir kaum eine andere Wahl, als die Stadt für immer zu verlassen.«
    »Ich glaube, das wäre das Beste«, erklärte er kalt, »für dich, für die Stadt und für alle, die dir einmal nahegestanden haben.«
    Damit entließ er mich, und einer der gehorsamen Bediensteten der Kathedrale gab sich keine Mühe, unauffällig zu bleiben, als er mir den ganzen Weg bis nach Hause folgte.
     
     

12
     
    Ich hatte beschlossen, die Stadt Mexico zu verlassen, schon bevor Alonso mir das so drohend nahelegte. Es bestand keine Hoffnung, jemals mit Bewohnern der Stadt ein Heer aufzustellen. Wie Netzlin und jetzt auch Pochotl waren die Männer von den neuen weißen Herren zu abhängig geworden, um sich gegen sie erheben zu wollen. Selbst wenn sie diesen Wunsch gehabt hätten, waren sie inzwischen so kraftlos und unkriegerisch, daß sie

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