Der Sohn des Donnergottes
Moisander hatte einmal in dem Zimmer gewohnt, vor zehn Jahren. Mittlerweile hatte sie ihre eigene Wohnung, so daß sie das Antiquitätengeschäft nicht mehr rund um die Uhr unter ihrer Fuchtel hatte.
Frau Moisander war eine alleinerziehende Frau, der es nicht geglückt war, den Bund der Ehe einzugehen. Versuche, die in diese Richtung zielten, hatte sie durchaus unternommen, mitunter auch heftige, wie sich aus dem Umstand schließen ließ, daß sie ein uneheliches Kind hatte. Der dazugehörige Mann war vermutlich ein großer Nichtsnutz, oder aber er war rechtzeitig zur Besinnung gekommen, jedenfalls war er auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Zu jener Zeit vor fünfzehn Jahren befand sich Frau Moisander in einer äußerst mißlichen Lage. Ein uneheliches Kind in einer Großstadt ist eine schwere Last für ein einsames Frauenzimmer!
Vor gut zehn Jahren hatte Frau Moisander dann mit ihrem fünfjährigen Sohn Sampsa Ronkainens Antiquitätengeschäft betreten und nach gebrauchten Klappbetten gefragt. In Ronkainens Antiquitätenhandlung stand so etwas natürlich nicht zum Verkauf. Das billigste Bauernbett im gustavianischen Stil hätte zehnmal mehr gekostet als das, was sich Frau Moisander leisten konnte. Sampsa hatte Mitleid mit der armen Frau und dem Kind, dem ununterbrochen der Rotz aus der Nase lief und das Keuchhusten zu haben schien. So versprach er der Frau, ein passendes Bett zu suchen, und bat sie, in zwei Tagen wiederzukommen.
Zwei Tage lang suchte Sampsa Ronkainen in Helsinki nach einem gebrauchten Klappbett, fand aber keines. Bei Emmaus waren zwei wacklige Metallgestelle im Angebot und zahlreiche Feldbetten und Bettsofas aller Art, aber kein preiswertes Klappbett. Also bestellte Sampsa eines in einem Möbelgeschäft. Nachdem es geliefert worden war, vernichtete Sampsa die Verpackung und bearbeitete das Möbelstück so, daß es irgendwie gebraucht aussah. Er wollte nicht zugeben müssen, das versprochene Klappbett nicht aufgetrieben zu haben. Als Frau Moisander mit ihrem Sohn kam, um das Bett abzuholen, erbot sich Sampsa, einen Lieferwagen für den Transport zu besorgen. Es stellte sich heraus, daß Frau Moisander gleich um die Ecke in der Punavuorenkatu wohnte. Bei einer so kurzen Entfernung brauchte man für den Transport eines Klappbetts kein Auto zu mieten. Die Frau sagte, sie könne das Bett schon selbst in ihre Wohnung tragen, wenn der Junge nur inzwischen im Laden bleiben dürfe.
Unsinn! Sampsa wollte mit anpacken. Der Junge wurde auf das Klappbett gesetzt, und dann wurde das Bett vom Antiquitätenladen in die Punavuorenkatu geschleppt.
Auf Höhe des Restaurants »Zur Kanne« stürzte Frau Moisander, die hinten ging, der Länge nach auf die Straße. Das Bett knallte hinunter, und der Junge kullerte auf seine Mutter. Sampsa konnte das andere Ende nicht halten, als ein Vorderfuß des Bettes brach und das hintere Teil Frau Moisander gegen das Kinn schlug, so daß der Kiefer aus den Angeln gehoben wurde. Der Junge schrie aus vollem Hals, Frau Moisander blutete aus der Nase und konnte kein Wort sagen. Der Portier vom Restaurant »Zur Kanne« rief einen Krankenwagen, aber als die Sanitäter ankamen, wollten sie Frau Moisander nicht mitnehmen, weil sie nur am Kiefer verletzt war und sich daher selbständig ins Krankenhaus begeben konnte. Da wurde Frau Moisander so schrecklich böse, daß sie die Sanitäter anschrie und zusammenstauchte, und bei der Gelegenheit rastete ihr Kiefer wieder ein. Der Krankenwagen fuhr davon. Sampsa lehnte das Bett an die Häuserwand des Restaurants und lud Frau Moisander zu einem Bier und den Jungen zu einem Eis in die »Kanne« ein.
Nach fünf Eisbechern und noch mehr Bieren wurde beschlossen, den Weg fortzusetzen. Es stellte sich heraus, daß das Klappbett draußen gestohlen worden war, während Sampsa drinnen die alleinerziehende Mutter aushielt. Jedenfalls bat Frau Moisander Sampsa, sie in ihre Wohnung zu begleiten, die sich einen Häuserblock weiter befand. Es handelte sich um ein jämmerliches Untermietzimmer, und unglücklicherweise war der Vermieter gerade zu Hause. Er roch das Bier und veranstaltete großes Geschrei: Da wurde am hellichten Tag gesoffen und ein Mann ins Haus gebracht, obwohl abgemacht war, daß im Zimmer nicht mal geraucht werden durfte. Sampsa verzog sich nach draußen. Bald rannte auch Frau Moisander auf die Straße, ihren weinenden Jungen auf dem Arm und sie selbst zornig schluchzend. Sie hatte auch wahrlich Grund zur Sorge: kein Geld, keine Wohnung
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