Der Sohn des Donnergottes
eine Kultstätte für Ukko Obergott umwandeln, spann Rutja den Gedanken weiter, dann säßen die Gläubigen nicht niedergeschlagen und vergrämt in den Bänken, sondern würden die Früchte ihrer Arbeit genießen, Ukko Gaben der Erde und des Wassers darbringen und selbst essen und trinken, singen und feiern.
Der Christenglaube akzeptierte das Opfern nicht. Gott mußte sich mit einem Gebet zufriedengeben. Die Riten waren nüchtern und ernst, gerade so, als wohnten ein inniges Gemüt und ein reines Herz nur in den Seelen von phantasielosen und trübsinnigen Menschen. Sampsas Bericht zufolge war es in den Kirchen üblich, einige wenige Male im Jahr einen Schluck abgestandenen, sauren Rotwein und Oblaten mit Pappgeschmack anzubieten. Bei einem derartig schlechten Angebot verirrte sich garantiert kein vernünftiger Mensch in eine Kirche, schon gar nicht, wenn zeitgleich mit dem Gottesdienst ein Pferderennen stattfand. Dort gab es wenigstens heiße Würstchen, Brathähnchen, Kaffee und Bier sowie zusätzlich die Spannung des Rennens.
»Ihr solltet euch etwas einfallen lassen, womit ihr die Leute anlockt«, meinte Rutja zu dem Pfarrer. »Ich habe den Eindruck, daß eure Opferriten zu trocken sind. Das Volk hat es gerne bunter.«
»Wir haben schon alles versucht. Im Gemeindehaus wurden Clubabende abgehalten, wo Erfrischungen und Kaffee gereicht wurden. Manchmal organisieren wir einen Vortrag über das Heilige Land oder Filmvorführungen, aber nichts scheint die Leute zu begeistern. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, daß die Menschen unserer Zeit verstockt sind. Ihr Glaube ist nicht lebendig, da verbirgt sich das Problem. Sie fürchten Gott nicht mehr.«
Zufrieden wandte sich Rutja zum Gehen. Die Macht des Christenglaubens schien doch nicht unbezwingbar zu sein. Das finnische Volk hatte längst seine Religion aufgegeben, wahrscheinlich hatte es festgestellt, daß die christliche Lehre nichts für es war. Da die Verbindungen zum eigenen, wahren Glauben aber zerstört waren, vergeudeten die Menschen ihre Zeit bei sinnlosen Pferderennen, anstatt sich in Tranceriten zu Ehren Ukko Obergotts zu üben.
»Wir sollten uns mal wieder treffen, Herr Pfarrer Salonen. Kommen Sie doch mal zu Besuch nach Pentele auf den Ronkaila-Hof! Es wäre sehr interessant, Gedanken über die Religionen im heutigen Finnland auszutauschen«, sagte Rutja zum Abschied. Der Pfarrer schaute ihm nach, seufzte tief und schlich dann zurück in die Sakristei.
Rutja fuhr wieder nach Pentele. Als er auf dem Hof an Anelma vorbeikam, hörte er sie zischen.
»Du Schwein!«
Rutja scherte sich nicht um den Haß der Frau, sondern ging in das alte Gemäuer hinüber, wo er seine Einkäufe in die Speisekammer räumte. Er rief zu Sampsa im ersten Stock hinauf, er solle kommen und ihm zeigen, wie man kocht. Sampsa stieg in seinem mächtigen Bärenfell die Treppe hinunter. Rutja mußte sich selbst eingestehen, daß er ein ziemlich stattlicher Gott gewesen war vor dem Tausch.
Sampsa brachte dem Sohn des Donnergottes bei, wie man Wurstsuppe kochte. Er nahm einen Topf, füllte ihn mit Wasser, stellte ihn auf die Kochplatte auf der Abdeckung des alten Holzherds und bat Rutja, die Kartoffeln und das andere Wurzelgemüse zu schälen. Er selbst schnitt die Wurststücke in den Topf, rührte ein wenig Butter unter, bröckelte zwei Brühwürfel ins Wasser und gab Salz und ein Dutzend Pfefferkörner hinzu. Nach einer halben Stunde lag der leckere Duft von Wurstsuppe in der Luft. Rutja aß gierig, er hatte während seines Kirchenbesuchs tüchtigen Hunger bekommen.
Er erzählte Sampsa von seinem Ausflug in den Laden und nach Suntio.
»Dieser Salonen ist schwer betrübt, weil heutzutage niemand mehr in die Kirche geht. Ich habe den Eindruck, ihr Finnen seid glaubensmäßig völlig vom Kurs abgekommen. Um den christlichen Glauben scheint ihr euch nicht zu scheren, aber ihr erinnert euch auch nicht mehr an eure eigenen Götter.«
»Du hast vielleicht Nerven! Gleich am ersten Tag gehst du in die Kirche und redest mit dem Pfarrer«, wunderte sich Sampsa.
»Irgendwo muß man mit der Bekehrung der Menschheit ja schließlich anfangen«, stellte Rutja fest.
Sampsa berichtete, daß der Kaufmann angerufen und sich sehr aufgeregt hatte.
»Angeblich hast du Nyberg gedroht. Sehr gut, das hätte ich nie fertiggebracht. Der Kaufmann schien sich auch zu fürchten.«
Rutja führte Sampsa dessen eigenen Bizeps vor. Der war in der Tat nicht sonderlich beeindruckend.
»Du hättest ein
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