Der Sohn des Donnergottes
mit einem Säbel in der Pfote drohte. Der Schwanz der Bestie war hübsch geringelt. Daneben war zu lesen: Finnische Bank, Zehn Mark. An jeder Ecke des Scheins war der Wert zusätzlich in Ziffern angegeben.
Rutja steckte das Geld ins Portemonnaie. Auch bei einer sparsameren Aufschrift hätte er nicht geglaubt, daß der Schein mehr als zehn Mark wert war.
Es kam ihm so vor, als ob es im Dorfladen üblich war, das eine oder andere Wort zu wechseln, als gehöre das dazu. Also fragte er den Kaufmann:
»Sagen Sie, Herr Kaufmann, an welchen Gott glauben die Menschen in diesem Dorf?«
Der Kaufmann war verdutzt. Was, zum Teufel, wollte Sampsa Ronkainen denn mit so einer Frage bezwecken?
»Die glauben an gar keinen besonderen Gott. Bei dir bin ich mir da allerdings nicht so sicher.«
Nyberg mischte sich ein.
»Du bist ein Witzbold, Sampsa, ein echtes Original.« Rutja drehte sich zu ihm um. Das war also sein Pächter Nyberg. Sampsa hatte so viel von ihm erzählt, daß Rutja den Alten auf der Stelle erkannte.
»Du bist also Nyberg, der meine Ländereien bewirtschaftet?«
Nyberg ächzte verblüfft. Natürlich war er Nyberg! »Ich habe daran gedacht, den Pächter zu wechseln«, erklärte Rutja.
»Fang bloß nicht an, mir zu drohen, Sampsa! Die Abrechnungen sind in Ordnung, und du hast überhaupt kein Recht, einseitig den Vertrag zu kündigen.«
Rutja fixierte Nyberg mit stechendem Blick. Seine blauen Augen blitzten kurz auf, und die feurige Seele des Sohns des Donnergottes spiegelte sich darin, der Schein der Unterwelt, die Glut der Hölle. Nyberg fuhr zusammen, wendete rasch den Blick ab und wußte nichts mehr zu sagen. Das Getuschel im Laden erstarb. Rutja wandte sich den beiden Frauen zu. Er fragte sie, an welchen Gott sie glaubten.
Die Frauen spürten, daß im Laden etwas Unheimliches vor sich ging. Sie wurden blaß im Gesicht und versicherten, an Gott und seinen einzigen Sohn Jesus Christus zu glauben.
»Wir sind schon immer gläubig gewesen, das weiß der Jungbauer von Ronkaila doch ganz genau«, plapperten sie. Rutja sah die Frauen abschätzig an. Das finnische Volk war wirklich verdorben, wenn sogar solche Weiber an den falschen Gott glaubten. Seinetwegen sollten sie an ihn glauben, aber zumindest beim Kaufmann würde sich die Bekehrung zum wahren Glauben rentieren. Anschließend könnte er dann seine Kundschaft auf den rechten Weg bringen, denn Rutja vermutete, nicht die Zeit zu haben, selbst jeden Dorfbewohner einzeln zu bekehren. Gleichzeitig beschloß er, daß Nyberg von nun an Ägräs, dem Gott der Fruchtbarkeit, zu huldigen hätte und vor allem Sampsa Pellervoinen, dem Schutzherrn des Frühlings und des reichen Ertrags. Es schickte sich nicht, daß der Pächter des Sohns des Donnergottes in die Kirche ging und im Chor der Falschgläubigen sang.
»Wenn du dich ab sofort noch einmal in der Kirche blicken läßt, Nyberg, dann betrachte ich die Pachtverträge als gekündigt. Ich werde dich lehren, Sampsa Pellervoinen zu huldigen, damit du Bescheid weißt. Pellervoinen ist der einzige und wahre Gott des Landmanns.«
Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, schaute Rutja Nyberg scharf an. Der Pächter wich hinter die Kühltheke zurück, ohne auch nur ein Wort zu sagen und ohne es zu wagen, den Blick zu erwidern. Vor dem Verlassen des Ladens sprach Rutja noch mit dem Kaufmann:
»Du tätest gut daran, Paara zu huldigen. Es gehört sich nicht, daß der Händler in einem finnischen Dorf von Jesus und anderen Göttern redet, wo es doch Paara gibt.«
Als er wieder im Auto saß, konnte Rutja erkennen, wie zwischen den bunten Reklametafeln im Schaufenster mehrere verblüffte und ängstliche Gesichter auftauchten. Sogar die pubertären Jungen, die sich ansonsten einen Dreck um ältere Leute scherten, wußten nicht, ob sie den Antiquitätenhändler Ronkainen für einen abgedrehten Typen oder einen eiskalten Killer halten sollten, dem man besser aus dem Weg ging.
Rutja beschloß, nach Suntio zu fahren, um sich die Kirche anzuschauen. Es war sicher gut, sich am Beginn seiner Tätigkeit in Finnland mit den Opferstätten des Gegners vertraut zu machen.
Nachdem er ein paar Kilometer gefahren war, stellte Rutja fest, daß er eigentlich gar nicht wußte, wohin er unterwegs war. Besser, er fragte irgend jemanden, damit er nicht sinnlos herumfuhr. Er steuerte auf ein Einfamilienhaus zu, auf dessen Veranda ein Paar saß, eine Frau und ein Mann. Rutja stellte den Motor ab, kurbelte das Fenster herunter und fragte:
»Wie
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