Der Sohn des Donnergottes
verwandelt hast? Du bist verrückt geworden!«
Frau Moisander wich immer weiter zurück. War Sampsa vielleicht ein Werwolf? Er hatte sich plötzlich verändert und behauptete nun, ein Gott zu sein!
Frau Moisander war auch früher schon solchen Verrückten begegnet und wußte daher, daß man mit ihnen besser nicht scherzte. Sie zog sich an, so schnell sie nur konnte, nicht einen Augenblick länger wollte sie mit diesem geistesgestörten Mann im Wolfspelz das Zimmer teilen. Draußen rannte sie zwei Häuserblocks weit, bis sie sich soweit beruhigt hatte, daß sie ein Taxi anhalten und sich nach Hause bringen lassen konnte.
Schockiert schloß sie die Wohnungstür hinter sich ab. Sie wußte, daß sie nicht mehr den Mut aufbringen würde, in den Antiquitätenladen zurückzukehren. Sie wollte nicht für einen Geisteskranken arbeiten, so einer war viel zu gefährlich, und außerdem war es erniedrigend.
Zitternd dachte sie daran, daß in ihrem Becken nun ein Wolfssamen nistete, sie hatte sich einem Mann hingegeben, der den Verstand verloren hatte und glaubte, der Sohn irgendeines Donnergottes zu sein. Bis zum Morgen blieb Frau Moisander auf, erst als das Rauschen des Verkehrs die Straßen erfüllte und das helle Tageslicht ins Zimmer schien, wagte sie es, sich auszuziehen und eine Weile zu schlafen. Bis zum Mittag hatte sie sich bereits soweit wieder erholt, daß sie im Stande war, genau nachzudenken. Sie hatte jetzt keinen Arbeitsplatz mehr, das war klar. Was hätte sie noch zu verlieren, selbst wenn sie Sampsa beim Finanzamt anzeigte? Dieser geisteskranke Mann hatte ihr Leben ruiniert, dafür würde er nun einen hohen Preis zahlen müssen.
»Und dann hat er mich auch noch gezwungen, Staub zu wischen, widerlich.«
Frau Moisander riß sich die Perücke vom Kopf und griff zum Telefonhörer. Entschlossen wählte sie die Nummer des Finanzamtes. Die Steuerprüferin Suvaskorpi war nun im Hause.
Frau Moisander zwang sich zu einer ruhigen und offiziellen Sprechweise und erklärte, daß es in der Buchführung von Ronkainens Antiquitätenhandel in der Tat die ein oder andere Unklarheit gebe und daß der Besitzer nach Helsinki gekommen sei, um sich um seine Angelegenheiten zu kümmern. Die Steuerprüferin bedankte sich für die Mitteilung und versprach, den Herrn Geschäftsführer Ronkainen sogleich aufzusuchen.
Frau Moisander lächelte grausam, als sie den Hörer auflegte. Einen Moment lang genoß sie die Vorstellung, wie Sampsa Ronkainen nun vernichtet werden würde, wie er zum Verhör abgeführt und dann gleich weiter ins Gefängnis gebracht würde. Dann fielen ihr Sampsas blau funkelnde Augen ein und seine verrückten Worte, sie sah im Geiste den Wolfspelz an der Garderobe hängen, und sie erschauerte, obwohl es nicht mehr Nacht war und der Werwolf sich nicht mit ihr im selben Raum befand.
11
Am Morgen wachte Rutja allein in seinem Bett auf. Er rechnete nicht damit, daß Frau Moisander noch einmal zur Arbeit käme, so wie sie in der Nacht davongerannt war. Um so besser. Aus einer wie der wäre sowieso keine Jüngerin geworden, mutmaßte Rutja. Sampsa hatte recht gehabt. Die Frau war faul, machte ihre Arbeit nur, wenn man ihr drohte, und auch dann nur mit Müh und Not. Rutja fand, Sampsa hätte ihn vor dem Abendritual samt Ausziehen und allem drum und dran warnen müssen, nichtsdestotrotz war es eine genußvolle Erfahrung.
Zum Frühstücken ging Rutja in ein nahegelegenes Café. Eine Weile wartete er ab, ob es wieder in den Ohren rauschen würde und ob er sich wieder beschwingt fühlen würde, aber sein Befinden blieb absolut menschlich. Daraus schloß Rutja, daß man ins Restaurant gehen mußte, um diesen göttlichen Zustand zu erreichen und nicht ins Café.
Nachdem er geduscht hatte, machte sich Rutja daran, einen Grundriß der Geschäftsräume anzufertigen. Dabei stellte er fest, daß er ein ganz passabler Zeichner war. Rasch nahm der Plan maßstabsgerechte Gestalt an.
Die Zeichnung war als Grundlage für Rutjas Pläne notwendig. Er wollte überprüfen, ob sich das Antiquitätengeschäft wirklich als Kultstätte für Ukko Obergott eignete. Wenn man den Lagerraum leerräumte, die alten antiken Möbel und den restlichen Plunder verkaufte, könnte man dort die Kleiderkammer für den Schamanen einrichten und hätte noch Platz für die Trommeln und Klappern sowie für alle anderen Utensilien, die man bei Opferzeremonien brauchte. Außerdem müßte man für den Raum eine Gefriertruhe mit mindestens fünfhundert Litern
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