Der Sohn des Donnergottes
geduldige Miene auf und stellte fest, daß die Steuerprüfung aller Voraussicht nach eine längere Zeit in Anspruch nehme.
»Wie um Himmels willen haben Sie Ihre Geschäftsunterlagen nur in einen derart chaotischen Zustand bringen können?« tadelte die Prüferin.
Rutja erschrak jedoch keineswegs, sondern blickte der Steuerprüferin unbeirrt in die Augen und ließ in seinem Blick das blaue Irrlicht erglühen, es wirkte auf der Stelle: Die Frau stutzte, und eine zarte Röte stieg ihr ins Gesicht. Dann richtete Steuerprüferin Suvaskorpi ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Papiere. Einer ihrer Füße vollführte unter dem Renaissancesekretär eine unkontrollierte Klopfbewegung. Rutja deutete all dies als Zeichen einer starken Gemütsregung.
Eine solche Frau müßte man als Jüngerin gewinnen, dachte Rutja seufzend. Sie zum alten finnischen Glauben zu bekehren hielt er trotzdem für kein leichtes Unterfangen, schließlich war sie gekommen, um Sampsa mit einer überflüssigen Steuerprüfung zu schikanieren. Sampsa hatte ihn gewarnt, daß die finnischen Finanzbeamten ein äußerst stures Pack seien, offensichtlich galt das auch für diese Frau. Dennoch beschloß Rutja, sein Glück zu versuchen. In jedem Fall würde es Spaß machen, beim Vollzug des Abendrituals auf der Steuerprüferin Suvaskorpi zu liegen, dachte Rutja.
Die Steuerprüferin machte sich an die Arbeit. Stundenlang saß sie geräuschlos auf ihrem Stuhl, ging zwischendurch zum Mittagessen und kehrte anschließend sofort wieder zu ihren Papieren zurück. Sie vermied es, Rutja in die Augen zu schauen, aber wenn sich ihre Blicke trotzdem einmal begegneten, errötete sie heftig, wofür sie sich dann eine ganze Weile genierte.
»Sie sind bestimmt eine außerordentlich tüchtige Beamtin«, bemerkte Rutja am Nachmittag, um wenigstens eine kleine Unterhaltung in Gang zu bringen. Die Frau erwiderte, ihres Wissens sei die finnische Beamtenschaft generell tüchtig. Jedes Amt hatte in Finnland sein eigenes Anforderungsprofil, anders als auf dem privaten Sektor und bei sämtlichen anderen anspruchsvollen Posten. Doch in den höchsten Ämtern war nicht Tüchtigkeit gefragt, sondern politische Erfahrung.
»Wenn Sie schon so tüchtig sind, dann sagen Sie mir doch bitte, wie ich vorgehen muß, wenn ich meinen Namen ändern will. Also ganz offiziell.«
Die Frau blickte von den Papieren auf. »Welchen Namen beabsichtigen Sie denn anzunehmen? Ist Sampsa Ronkainen nicht ein ganz guter Name?
»Es gibt eigentlich nichts daran auszusetzen, aber ich hätte gerne einen noch besseren. Ich möchte meinen Namen in Rutja, der Sohn des Donnergottes ändern.«
Die Frau unterbrach ihre Arbeit. Sie amüsierte sich sehr. Diese Junggesellen, diese kleinen Kaufleute, waren manchmal schon ziemlich merkwürdig, irgendwie Bohemiens. Offensichtlich konnte der Umgang mit alten Gegenständen Männern zu komischen Figuren werden lassen.
»Anders als etwa in Schweden hat man in Finnland schon im letzten Jahrhundert von Familiennamen, die das Wort Sohn enthalten, Abstand genommen. Wenn ich mich recht erinnere, hieß einer meiner Vorfahren Hemminki Suvasson. Daraus ging später mein Name Suvaskorpi hervor.«
Die Steuerprüferin probierte Rutjas Namensvorschlag eine Weile aus. Sie fand den Namen elegant, und auch ein wenig furchterregend, aber im positiven Sinne:
»Da Sie hier nun mal viel Bauernstil zum Verkauf anbieten, wäre der Name möglicherweise eine gute Reklame für Ihr Geschäft. ›Altbäuerliches Gerät vom Sohn des Donnergottes‹. In der Tat, Sie hätten das Zeug zum erfolgreichen Geschäftsmann, wenn Sie sich nur mehr um die Buchhaltung und die laufenden Kosten kümmern würden.«
Die Steuerprüferin erklärte, falls Ronkainen tatsächlich seinen Namen ändern wolle, müsse er die Angelegenheit bei der Bezirksregierung von Uusimaa zu Gehör bringen. Sie rief die Behörde an und erfuhr, daß Namensangelegenheiten von einem Notar der öffentlichen Abteilung bearbeitet und die Entscheidungen vom Ministerialdirigenten unterzeichnet würden. Zuvor mußte jedoch um eine Stellungnahme der Abteilung für außergewöhnliche Namen des Verbandes für Finnische Kultur gebeten werden.
»Könnten Sie mich vielleicht zur Bezirksregierung begleiten, zum Beispiel morgen?« bat Rutja. »Ich bin nicht so firm in diesen amtlichen Dingen, ich bin das nicht gewöhnt.«
Das glaubte ihm die Steuerprüferin allerdings sofort. Sie dachte kurz nach, kreuzte unbeabsichtigt Rutjas Blick, errötete auf der
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