Der Sohn des Donnergottes
dem Krieg bekannt war:
Eine feste Burg ist unser Gott,
eine gute Wehr und Waffe.
An jeder Ecke schwang er die Faust in Richtung Obergeschoß. Siebenmal umrundete er das Gebäude, sieben Lieder sang er, und beim letzten Mal erklomm er die Feuerleiter bis zur Traufe, wobei er noch lauter krakeelte als zuvor. Durch einen Vorhangspalt des Bibliotheksfensters sah er flüchtig das dicht behaarte Gesicht von Sampsa, der ihm zuzwinkerte. Salonen dachte daran, daß er nun sogar schon mit dem Satan selbst zusammenarbeiten mußte, damit ihm die Situation nicht aus den Händen glitt. Mit beiden Fäusten trommelte er auf das scheppernde Blechdach und rief dem bösen Geist dabei mit hoher Stimme Drohungen zu.
Wegen all dieser Anstrengungen ins Schwitzen geraten, stieg der Pfarrherr schließlich die Leiter hinab. Er bat die Polizisten, ihn zum Ortspolizeidirektor zu fahren. Zuvor wünschte er den Hausbewohnern alles Gute und merkte an, daß vom Ronkaila-Hof schon lange niemand mehr in der Kirche gewesen sei.
»Frau Anelma hätte doch bestimmt Zeit dafür«, sagte er sanft mahnend. »Solche seltsamen Dinge passieren, wenn das Volk nicht an Gott glaubt. Das sind Vorzeichen, letzte Warnungen.«
An diesem Morgen war der erste Fall von Notzucht in der Gemeinde Suntio bekannt geworden. Dem Ortspolizeidirektor hatte das einiges an Aufregung beschert. Die Abendzeitungen gierten nach Einzelheiten, alle möglichen Leute, die mit dem Fall gar nichts zu tun hatten, riefen auf dem Revier an, und auch sonst war alles durcheinander. Als dann endlich die Wachtmeister Huimala und Vahtonen kamen, schickte der Ortspolizeidirektor sie gleich wieder weg, um zwei Verdächtige zu vernehmen. Den Pfarrherrn bat er in sein Büro, bot ihm einen Stuhl an und fragte, was er für ihn tun könne.
Salonen erklärte, daß sich Vahtonen und Huimala in einer Gespensterangelegenheit an ihn gewandt hätten und daß er sich aufgrund seines Amtes der Sache angenommen habe. Allerdings sei im Dorf Pentele nichts Außergewöhnliches zu finden gewesen. Für die Polizei war die Geschichte damit zumindest vorläufig erledigt.
Endlich war alles geklärt. Der Pfarrherr ging zu Fuß in sein Gemeindehaus zurück, rief die Pfarrsekretärin zu sich und ließ eine außerordentliche geistliche Zusammenkunft ankündigen. Als Thema wählte er: »Neuer Angriff des Satans auf das gläubige finnische Volk.«
16
In Helsinki ging Notar Mälkynen dazu über, selbständig aktiv zu werden. Er erzählte seinem Freund Göran Keltajuuri, dem Besitzer der Werbeagentur Keltajuuri, von seinem neuen, glühenden Glauben. Göran war ein fünfzigjähriger rundlicher Kulinarist, der sich sehr für die Sache begeisterte. Was für eine Idee, was für Möglichkeiten!
Keltajuuri setzte sich mit einem Schreiberling in Verbindung, einem sogenannten Freelance-Journalisten, dem schwer alkoholisierten Huikka Tuukkanen, der sich für das Thema fast noch mehr begeisterte. Zu dritt machten sie sich daran, langfristige Pläne zu schmieden, mit dem Ziel, den »neualten« Glauben im finnischen Volk zu verbreiten. Sie nahmen mit Rutja und Steuerprüferin Suvaskorpi Kontakt auf und versprachen, sich um die praktische Seite der Verbreitung des neualten Glaubens zu kümmern. Rutja war lediglich für die Organisation von Gewittern zuständig sowie bei Bedarf für den ein oder anderen Blitzschlag. Auch gegen sonstige Wundertaten wäre nichts einzuwenden.
Rutja beschloß, Ronkainens Antiquitätenhandel zu schließen, denn von Frau Moisander hatte er nichts mehr gehört, und außerdem nahm die religiöse Aktivität allmählich Ausmaße an, daß es nicht mehr vernünftig erschien, nebenher auch noch mit alten Möbeln zu handeln. Steuerprüferin Suvaskorpi entschied, ihren Sommerurlaub zu nehmen, ließ zuvor jedoch ihrer Behörde einen umfassenden und entlastenden Prüfungsbericht über die Konten und Steuerangelegenheiten des Antiquitätengeschäfts zukommen.
Notar Mälkynen, Werbeleiter Keltajuuri und Journalist Tuukkanen wurden zur ersten Jüngervollversammlung in den Antiquitätenladen eingeladen. Den Vorsitz führte der Sohn des Donnergottes, für das Protokoll zeichnete Steuerprüferin Suvaskorpi verantwortlich.
Rutja musterte seine Jünger. Es waren vier Menschen, drei Männer und eine Frau, Vertreter unterschiedlicher Berufssparten. Er war der Ansicht, daß Suvaskorpi, Mälkynen und Keltajuuri brauchbare Jünger waren, aber dieser Journalist Huikka Tuukkanen wirkte zwielichtig. Seine meist
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