Der Sohn des Donnergottes
wenngleich haarsträubend«, gestand Pfarrherr Salonen. »Aber weshalb versetzen Sie hier Menschen in Angst und Schrecken, Ihre Schwester, Ihren Nachbarn, Ihre Freundin… oder sagt man besser Lebensgefährtin? Übrigens, da Sie nun dieses heidnische Äußere besitzen, möchte ich Sie nicht so gerne mit Ihrer Lebensgefährtin vermählen. Leben Sie nur weiter wie bisher, solange Sie Ihre alte Gestalt nicht wiederhaben. Bis dahin kann von einer kirchlichen Trauung nicht die Rede sein, denn ich bin nicht bereit, Götzen und Gespenster zu trauen.«
Sampsa schwor, überhaupt nicht daran zu denken, Sirkka Leppäkoski zu heiraten, da konnte der Herr Pfarrer ganz beruhigt sein. Und was diesen Nyberg anbetraf, fügte er hinzu, der war mit erhobenen Fäusten hier eingedrungen und hatte sich drohend und unverschämt gebärdet.
»Lange genug habe ich diesen Kerl auf meinem Land geduldet. Ich habe ihm die Stirn geboten, sobald ich dazu genügend körperliche Kraft hatte. Sie glauben ja gar nicht, wie kräftig so ein Gott ist!«
Sampsa wollte dem Pfarrherrn ein bißchen was von seinen Fähigkeiten demonstrieren, darum bat er ihn, sich gut an den Armlehnen des Sessels festzuhalten. Dann hob er mit einer Hand den Sessel mitsamt dem Geistlichen bis zur Decke empor, hielt ihn eine ganze Weile lang so in der Höhe und stellte ihn erst wieder ab, als Salonen inständig darum bat.
»Oh, ich habe nicht die geringsten Zweifel an Ihren körperlichen Kräften! Aber ich bin ein alter Mann, mir wird von so etwas schwindelig.«
»Entschuldigen Sie, das hatte ich vergessen.« Der Pfarrherr erklärte, von der Wahrheit von Sampsa Ronkainens Erzählung vollkommen überzeugt zu sein, er wußte schließlich, daß übernatürliche Dinge durchaus vorkommen konnten. Zu Beginn unserer Zeitrechnung waren sie beispielsweise in Israel reichlich vorgekommen. Warum sollten nicht ähnliche Dinge im Pentele der Gegenwart geschehen? Die Zeit der Wunder war nie zu Ende, stellte der Pfarrherr fest. Im übrigen, fügte er hinzu, war womöglich in Rutjas Gestalt der Beelzebub selbst auf die Erde gekommen? Vielleicht könnte man sich darauf einigen, daß dies der Fall war, schlug der Pfarrherr vor.
»Ich könnte den Fall für meine Predigt benutzen«, freute er sich. Dann fiel ihm ein, daß niemand an die Ankunft des Beelzebubs auf Erden glauben würde, und er ließ den Gedanken fallen.
»Auf jeden Fall ist die Welt in ihrer Gottlosigkeit endlich an dem Punkt angelangt, wo so etwas passieren mußte. Schon seit Jahren prophezeie ich derartige Schrecken. Es sind die Vorzeichen des Weltendes.«
Nachdem er eine weitere Tasse Tee getrunken hatte, schickte sich der Pfarrherr an, zu gehen. Er sagte zu, Sampsa wieder mal einen Besuch abzustatten, hinterließ seine Telefonnummer und bat um einen Anruf, wenn Rutja – oder wer immer er nun war – von Helsinki nach Hause käme. Salonen behauptete, auf die Schnelle jetzt nicht viel mehr zu der ganzen Sache sagen zu können, aber er müsse nun zumindest die Polizisten wegschicken und Anelma und die anderen Leute beruhigen. Er bedankte sich für den Tee, ließ den Katechismus in der Bibliothek zurück und verließ das Haus. Sampsa begleitete ihn noch zur Tür und schloß hinter ihm ab.
Draußen liefen die Polizisten dem Pfarrer neugierig und aufgeregt entgegen und fragten, ob er den Geist getroffen habe. Gleich darauf kamen auch Anelma, Sirkka und Rami angerannt, letzterer immer noch ohne Schuhe.
»Ich habe die Sache im Griff. Vorläufig haben Außenstehende im Haus nichts zu suchen. Allein Sampsa Ronkainen hat das Recht, im alten Teil zu wohnen«, erklärte der Pfarrherr.
»Haben Sie den Teufel da drin zu Gesicht bekommen?« fragten die Polizisten.
Der Pfarrherr tat sich schwer, eine passende Antwort zu finden. In bester Predigtmanier verkündete er deshalb:
»Ich habe das Böse in diesem Haus so eingeschüchtert, daß es niemals nach außen dringen wird! Glaubt mir, glaubt an Gott!«
Der Pfarrherr bedauerte in diesem Moment zutiefst, daß die lutherische Lehre so wenig gestenreiche Ausdrucksformen vorsah. Er konnte keine imposanten Kreuzzeichen machen wie ein orthodoxer Priester und erst recht keine Gespenster mit Weihrauch aus dem Haus treiben. Er mußte sich damit begnügen, auf der Treppe niederzuknien und zu Gott zu beten, er möge die Menschen vor bösen Geistern schützen. Da dies keinen Eindruck auf die Zuschauer zu machen schien, sprang er wütend auf und umkreiste das Haus, wobei er ein Lied sang, das aus
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