Der Sohn des Donnergottes
verkaterte Gestalt erinnerte Rutja an ein Bild von Judas, dem Jünger, der Jesus verraten hatte. Ob jener Judas damals auch freier Journalist gewesen war? Wohl eher nicht, denn zu Jesu Zeiten erschienen noch keine Revolverblätter. Man mußte den Mann im Auge behalten, beschloß Rutja.
Als alle seine Jünger im Salon Platz genommen hatten, eröffnete Rutja die Versammlung.
»Im Namen von Ukko Obergott, berichtet mir, was ihr euch überlegt habt!«
Werbeleiter Göran »Jussi« Keltajuuri fing an, seine großartige PR-Idee zu erläutern. Er war der Ansicht, man solle von Anfang an ausreichend geistiges und materielles Kapital in die Werbekampagne investieren. Die Idee des neualten Glaubens war seiner Meinung nach einfach unglaublich.
Rutja räusperte sich.
»Sie ist geradezu sensationell«, fügte Skandalschreiber Tuukkanen schnell hinzu.
Keltajuuri stellte seinen Entwurf vor: Als erstes müßte man in allen führenden Zeitschriften und Zeitungen zweispaltige Anzeigen schalten, und zwar in der Rubrik ›Geistliche Mitteilungen‹. In diesen Anzeigen wäre ganz allgemein von der Idee die Rede, verbunden mit dem Versprechen, in naher Zukunft auf das Thema zurückzukommen. Dann würde man ein paar sorgfältig vorbereitete Pressekonferenzen abhalten, zum Einstieg erst einmal in der Hauptstadt, in Turku und in Tempere – später sollten Oulu, Kuopio und Lahti folgen. Danach, wenn in der Presse eine angemessene Diskussion in Gang gekommen sei, könnte man einige polemische Leserbriefe lancieren. Desweiteren sollten Experten um Artikel über den alten finnischen Glauben gebeten werden; am geeignetsten seien Leute, die sich auskannten, scharf aufs Schreiben waren, aber nicht zuviel kosteten.
»Zum Schluß gehen wir dann voll in die Offensive: Wir setzen eine umfassende Werbekampagne in Gang. An sämtlichen Hauptstraßen werden riesige Plakate aufgehängt mit Rutjas Konterfei im Vierfarbdruck und der Aufschrift ›Der Sohn des Donnergottes ist gekommen, Dich zu retten, Volk Finnlands!‹ Dasselbe Thema wiederholen wir dann zwei Wochen lang in entsprechenden Werbespots im Fernsehen.«
Keltajuuri versprach, selbst das Drehbuch für die Spots zu schreiben. Er hatte Beziehungen zu einem Privatsender, da würde sich schon eine gute Sendezeit finden lassen, wenn man alles möglichst perfekt hinbekam.
»Ärgerlich, daß die Privatsender keine Gottesdienste zeigen! Das wäre ein super Effekt, wenn die Predigt von einem Werbespot unterbrochen würde, in dem Rutja, der Sohn des Donnergottes, von sich und seinem Glauben berichtet und dazu ein paar Kugelblitze tanzen läßt! Die Botschaft käme garantiert an!«
Nach Keltajuuris Schätzung würde das alles zusammen ungefähr 800.000 Finnmark kosten.
»Ich betone noch einmal, daß es ohne weiteres möglich ist, eine Finanzierung für diese Kampagne auf die Beine zu stellen, vorausgesetzt meine Agentur übernimmt die Verantwortung für das Projekt. Wir haben schon verrücktere Sachen gemacht und waren bis jetzt immer erfolgreich«, prahlte Keltajuuri.
Rutja fragte, wie viele Leute man mit dieser Form von Öffentlichkeitsarbeit erreichen konnte.
Keltajuuri hantierte mit seinem Taschenrechner. »Ich schätze, mit dieser Kampagne könnten wir ungefähr fünfunddreißig Millionen Finnen innerhalb von anderthalb Monaten erreichen. Das wäre eine ungemein solide Basis für den neualten Glauben, ein Sprungbrett gewissermaßen.«
Rutja gab zu bedenken, daß es seines Wissens nur gut fünf Millionen Finnen gäbe. Wo wollte Keltajuuri denn die fehlenden dreißig Millionen Empfänger der Werbebotschaft hernehmen?
Keltajuuri war einen Moment lang verlegen. Doch dann erklärte er, daß die Finnen bei nur einer Botschaft überhaupt nichts glauben würden. Man müßte ihnen alles so lange wiederholen, bis es in ihr Unterbewußtsein gedrungen sei. Die fünfunddreißig Millionen waren lediglich eine Maßeinheit und bedeuteten die Anzahl der Werbekontakte und hatten nichts mit der Bevölkerungszahl des Staates zu tun. Rutja warf einen Blick auf Steuerprüferin Suvaskorpi. Sie wirkte nicht besonders begeistert, ganz im Gegenteil.
Rutja fragte den Journalisten Tuukkanen, ob er etwas vorzutragen hätte. Der Schreiberling rauchte eine Zigarette nach der anderen, stank nach altem Schnaps und nickte zwischendurch immer wieder ein. Als er angesprochen wurde, schreckte er auf:
»Äh, also… ich habe gedacht, ich könnte für ein paar Blätter was über dich schreiben, Götterstorys oder so. Ein Foto
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