Der Sohn des Donnergottes
von einem Gewitter dazu oder von einem Erdbeben oder so, und dann erzählst du ein bißchen, wie sich’s im Himmel so lebt, wie’s da so aussieht und so… Und dann natürlich, was du hier so vorhast. Das wird voll einschlagen, und dann titeln wir ›OB IHR’S GLAUBT ODER NICHT‹ oder ›JETZT KRIEGT JESUS MUFFENSAUSEN‹ oder so.«
Huikka Tuukkanen drückte seine Zigarette auf der Armlehne eines alten Bauernstuhls aus. Rasch wischte Notar Mälkynen die Asche vom patinierten Holz. Frau Suvaskorpi stand auf und öffnete das Fenster. Alle waren still. Sie warteten, was der Sohn des Donnergottes zu den Vorschlägen sagen würde.
»Daraus wird nichts. Öffentlichkeit ist in dieser Phase der Sache Ukko Obergotts nicht förderlich. Es wird kein einziger Artikel geschrieben und keine einzige Anzeige geschaltet. Aber trotzdem hast du, Keltajuuri, ein paar gute Ideen, die man noch weiterentwickeln könnte. Vielleicht kann man sie später noch mal gebrauchen.«
Frau Suvaskorpi holte tief Luft. Man konnte sehen, daß auch sie von den hochtrabenden Plänen nicht begeistert war.
Mälkynen sah sich verstohlen um. Hier wurden die gut durchdachten Ideen seiner Freunde gnadenlos abgeschmettert! Was sollte man davon halten? Hatte Rutja denn etwa nicht mehr die Absicht, seine Religion unter den Finnen zu verbreiten?
»Möglicherweise liegt hier ein Mißverständnis vor. Wie ich es sehe, hat die Missionarstätigkeit überall auf der Welt und zu allen Zeiten eine gewisse Öffentlichkeit vorausgesetzt, die Unterstützung der tiefen Schichten des Volkes…«
Rutja bedeutete ihm zu schweigen.
»Was glaubt ihr, warum ich die Gestalt mit dem Antiquitätenhändler Sampsa Ronkainen getauscht habe? Etwa weil ich mich in Ronkainens Körper verliebt habe, in diese Arme und Beine oder diesen Kopf?« Rutja klopfte gegen den Schädel, den er von Sampsa Ronkainen übernommen hatte. »Nein! Das habe ich getan, damit ein gewisses Geheimnis in bezug auf den alten Glauben und meine Göttlichkeit gewahrt bleibt. Über Ukko Obergott lacht man nicht, nicht mal am Anfang, und ich weiß, daß ich mich und allen anderen alten Götter lächerlich mache, wenn ich unsere Religion auf allen Straßen und Plätzen marktschreierisch verkünde.«
»Aber bei uns in Finnland herrscht Religionsfreiheit. Niemand wird daran gehindert, zu verkünden, was er will«, warf Werbeleiter Keltajuuri ein.
Frau Suvaskorpi antwortete für Rutja, daß die Religionsfreiheit zwar in allen Köpfen sei, aber man auch wußte, was für unglaubliche Vorurteile die Finnen hatten und mit wieviel Ablehnung und Spott sie allem Neuen und Fremden – in diesem Fall dem Alten und Vergessenen – begegneten. Erst wenn der alte Glaube in aller Stille weit genug Verbreitung gefunden hätte, könne man gefahrlos an die Öffentlichkeit gehen, erläuterte sie. Rutja nickte, ja, da war wenigstens ein vernünftiger Mensch, eine Jüngerin, wie er es sich wünschte!
Huikka Tuukkanen drückte wieder eine Zigarette aus, diesmal an der Schuhsohle.
»Du meinst, Steuerprüferin, wir sollten vorgehen wie seinerzeit die Kommunisten, also Zellen bilden und so, heimliche Druckereien gründen und so? Das ist doch scheußlich!«
»Was hast du gegen die Kommunisten?« fragte Rutja leicht verärgert. Er hatte gehört, daß die Kommunisten meistens arme Arbeiter waren, die sich für die gerechte Verteilung aller Güter einsetzten. Die Kommunisten fanden, jeder sollte bekommen, was er brauchte, und nicht so viel, wie er anderen abknöpfen konnte. Auch die Produktionsmittel sollten allgemeines Eigentum sein, damit keiner daraus privaten Nutzen ziehen konnte. Das waren durchaus vernünftige Gedanken, fand Rutja.
Huikka Tuukkanen war verdutzt.
»Aber die Kommunisten sind doch alle Atheisten, das weiß man doch… Ich habe geglaubt, das läuft hier korrekt ab, und ich hätte endlich mal eine richtige Geschichte, aber das war wohl nichts. Entschuldigung, aber ich sage nur: Verdammt! Ich werde hier nicht mehr gebraucht, ich verziehe mich.«
Werbeleiter Keltajuuri bat die Anwesenden um Verzeihung für Huikka Tuukkanens Benehmen. Tuukkanen schickte sich an zu gehen, und niemand hielt ihn auf. Nachdem er sich seine Armeejacke übergeworfen hatte, bat er Rutja um ein Erinnerungsfoto.
»Wär ‘ne schöne Erinnerung… Ich glaube nämlich an dich, aber die Sache läuft nicht richtig. Ich habe keine Lust, hier nutzlos herumzuhängen. Falls du nur ein Paßfoto von diesem Sampsa hast, dessen Gestalt du angenommen
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