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Der Sohn des Donnergottes

Der Sohn des Donnergottes

Titel: Der Sohn des Donnergottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Sivakka und Hannula ihn fast schon feindselig an. Sivakka setzte ihm auseinander, daß die Leute in den sozialistischen Ländern nicht so wohlhabend waren wie in Finnland, daß es dort aber zu keiner Ausbeutung mehr komme, wie zum Beispiel in diesem Antiquitätenladen hier in Finnland. In der Sowjetunion waren alle Menschen auf gleichem Niveau arm. In Finnland waren nur die Arbeiter und andere Benachteiligte arm. Das war ein gewaltiger Unterschied.
    Rutja fragte, warum man sich in den sozialistischen Ländern damit zufrieden gab, die Armut gleichmäßig zu verteilen. War das nicht einigermaßen phantasielos?
    »Hä?« fragte Sivakka.
    »Ich meine, könnte man nicht beispielsweise so vorgehen, daß du, Sivakka, am Anfang ein armer und fleißiger Arbeiter wärst, sagen wir zwei Jahre am Stück. Du würdest dich im Schweiße deines Angesichts abrackern, wie du so gerne sagst, und mit deiner Familie manchen Mangel erleiden müssen. Wenn du dann zwei Jahre geschuftet und in Armut gelebt hättest, würde man dich für ein Jahr zum Herren machen. Man würde dir eine leichte, interessante Arbeit geben und dir einen ordentlichen Lohn zahlen. Dann dürftest auch du das Leben mal genießen, zumindest in diesem einen Jahr. Und in einem Jahr kann man viel unternehmen. Deiner Frau würde das auch gefallen, da bin ich mir sicher. Sie könnte sich einen Pelz kaufen, und du würdest ein Jahr lang ein großes Auto fahren. Auf das fette Jahr würden dann wieder zwei magere Jahren folgen, und immer so weiter. Was meinst du dazu?«
    »Also, jeder dürfte, wenn er an der Reihe wäre, ein Jahr lang als Herr leben?«
    »So ist es.«
    Je mehr Maurer Sivakka und Installateur Hannula über Rutjas neuartigen Sozialismus nachdachten, um so interessanter kam er ihnen vor. Am nächsten Tag erklärten sie Rutja, Marx und Engels hätten die fragliche Methode zwar nicht gekannt, aber sie schien ihnen absolut vernünftig. Selbst wenn ein Arbeiter nur alle fünf Jahre lang ein Jahr als Herr leben dürfte, wäre das Leben viel angenehmer als gegenwärtig, wo man ständig nur Arbeiter sein mußte. Schade nur, daß das System noch nirgendwo ausprobiert worden war.
    »Du bist schon ein seltsamer Kapitalist, daß du sogar den Arbeitern Herrenjahre schenken willst«, stellten die Männer fest.
    Rutja offenbarte ihnen, daß er eigentlich überhaupt kein Kapitalist war, sondern ein Gott. Rutja, der Sohn des Donnergottes, derzeit rein zufällig in Finnland zu Besuch. »Dann eben ein Gott, was soll’s«, sagten die Männer. »Wir glauben sowieso nicht an Götter, gottverdammt.«
    Als die Feuerstelle und der Rauchabzug fertig waren, demonstrierte Rutja den beiden Männern anschaulich, daß er tatsächlich mit Ukko Obergott verwandt war. Rutja entzündete das erste Feuer im Opferofen mit einem Kugelblitz. Der ganze Salon füllte sich mit einem stechenden Geruch, der gelbe Kugelblitz zischte in der frischgemauerten Feuerstelle hell wie ein Funke beim Schweißen. Geblendet vom sprühenden Blitz, hielten sich Sivakka und Hannula die Augen zu und warfen sich vor dem Opferofen auf den Boden. Es dauerte lange, bis sie sich wieder soweit gefaßt hatten, daß sie ihre Overalls auszogen und auf den Namen des Donnergottes schworen. Sicherheitshalber ließ Rutja zu ihrer großen Verwunderung den Kugelblitz noch ein paar Minuten direkt vor den Augen der Männer durch den Raum kreisen, bevor er ihm befahl, durch den Kamin zu verschwinden. Der Blitz schnaubte lange im Kupferkamin, saugte dabei die Asche aus dem Ofen, und war dann verschwunden.
    Maurer Sivakka und Installateur Hannula schworen, für Rutja alles zu tun. Sie waren sogar bereit, ihre Partei und ihre Gewerkschaft zu unterwandern, falls der Sohn des Donnergottes das für nötig hielt.
    »Weißt du was, Rutja, du bist ein Gott für die Arbeiter, an dich glauben wir«, sagten die Männer. »Wir haben Unterstützung draußen an der Front, wir können bei Versammlungen über dich sprechen. Ganz wie du willst, auf uns kannst du dich verlassen.«
    Rutja notierte zwei neue Jünger auf seinem Block. Es war gut, auch Arbeiter unter den Jüngern zu haben, so wie Jesus seinerzeit Fischer. Es war nicht günstig, nur auf Beamte und leitende Angestellte zu setzen, überlegte Rutja.
    Sivakka und Hannula, die frischesten und eifrigsten Jünger des Sohns des Donnergottes, gingen in die nahegelegene Gaststätte »Zur Kanne«, um sich über das große Wunder zu unterhalten, das ihnen offenbar geworden war. Sie waren sich einig, noch

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