Der Sohn des Donnergottes
nie zuvor die Gelegenheit gehabt zu haben, bei einem derart merkwürdigen Schwarzarbeiterjob dabeigewesen zu sein.
Inzwischen hatte Schreiberling Huikka Tuukkanen beschlossen, seinen ewigen journalistischen Traum in die Tat umzusetzen: Er schrieb den Artikel seines Lebens. Zwar hatte der Interviewte, der Antiquitätenhändler Rutja, aus privatem Interesse dem Interview nicht zugestimmt, aber das hielt Huikka für kein allzu großes Hindernis. Was ein richtiger Schreiberling war, der schüttelte schon etwas aus dem Ärmel, wenn es sein mußte. Immerhin besaß Huikka Tuukkanen das Foto, das ihm Rutja gegeben hatte, das würde als Beweis vorerst genügen. Nachdem er in der Kneipe ein paar Bier getrunken hatte, begab er sich in seine Bude, um eine starke Geschichte über den Sohn des Donnergottes zu schreiben, der aus dem Himmel nach Finnland gekommen war und beabsichtigte, das ganze Volk zum neualten Glauben zu bekehren. Zwei Stunden lang schepperte Tuukkanens alte Remington, fast zehn maschinengeschriebene Seiten kamen dabei zusammen. Als er fertig war, machte er sich schnell auf den Weg in die Redaktion. Er versuchte, mit dem Chefredakteur zu sprechen, wurde aber nicht vorgelassen. Der Chef vom Dienst las die Geschichte, warf Huikka einen überraschten Blick zu und versprach:
»Wenn an der Geschichte auch nur ein bißchen was dran ist, zahle ich dir dafür einen Tausender.«
Huikka schwor, daß alles stimmte bzw. daß er dafür gerade stehen würde. Er zeigte das Foto von Sampsa Ronkainen vor und schrieb dazu eine Bildunterschrift. Dann marschierte er an der Kasse vorbei hinaus, um sein Honorar auf dem schnellsten Weg zu vertrinken. Er war ein gemachter Mann. Seine Illoyalität gegenüber Keltajuuri und Mälkynen wurmte ihn ein bißchen, aber ein freier Journalist macht nicht viel Federlesens. Wenn die Geschichte gut war, wurde sie gedruckt, da fragte man nicht mal seine besten Freunde um Erlaubnis. Und eine Geschichte, für die man tausend Finnmark bekam, war immer gut.
In den nächsten beiden Tagen suchte Huikka Tuukkanen mindestens fünfzehn Gaststätten auf, wo er jeweils zum besten gab, wie er den Artikel seines Lebens geschrieben hatte. Er zeigte die Zeitung herum, auf deren Titelseite in großen Buchstaben prangte:
ANTIQUITÄTENHÄNDLER HOLT NEUE REFORMATION NACH FINNLAND
Die eigentliche Geschichte stand im Mittelteil:
Sohn des Donnergottes ließ es blitzen:
JESUS AUSSER DIENST UND KIRCHE AUF DEN KOPF GESTELLT – FINNLAND BETRITT DIE ÄRA DES DONNERGOTTES
Von der Zeitung wurde die sechsfache Auflage gedruckt, im sommerlich heißen Helsinki standen die Leute dafür Schlange. Viele andere Blätter riefen Huikka Tuukkanen an, aber der war nicht zu erreichen, denn er war damit beschäftigt, sich in den verruchtesten Kneipen der Stadt dem längsten Rausch seines Lebens hinzugeben.
Steuerprüferin Suvaskorpi erschauerte, als sie den Artikel las. Sie nahm die Zeitung und fuhr mit dem Taxis schnellstens zu Rutja in die Iso Roobertinkatu. Bald riefen auch Keltajuuri und Mälkynen an. Sie waren ebenfalls fassungslos und schworen, nicht hinter der Geschichte zu stecken. Sie versprachen, alles zu tun, um einen Widerruf zu erreichen. Keltajuuri hatte schon einen Termin mit dem Chefredakteur der Abendzeitung vereinbart. Notar Mälkynen hatte ein Mitglied der Verlagsgeschäftsführung angerufen. Er würde den Mann zum Mittagessen treffen. Aber was gedruckt war, war nicht mehr rückgängig zu machen.
Rutja raste vor Wut. Je länger er las, um so wütender wurde er. Helinä Suvaskorpi versuchte, den Sohn des Donnergottes zu beruhigen, aber es half nichts. Rutja sagte, Huikka Tuukkanen würde nicht mit dem Leben davonkommen. Er warf sich den Wolfspelz über und verließ das Haus. Steuerprüferin Suvaskorpi wäre gerne mitgegangen, aber Rutja machte einen so grausamen Eindruck, daß sie nicht wagte, ihrem Gott zu folgen. Sie blieb im Laden zurück und hielt den Atem an. Ein Gewitter lag in der Luft.
Rutja konnte sich schon denken, wo er den versoffenen Schreiberling zu suchen hatte. In einem Dutzend Kneipen fragte er nach Huikka Tuukkanen, und fast überall wußte man zu berichten, daß Huikka dagewesen war. Spät am Abend fand Rutja endlich das Objekt seines Begehrens. Journalist Huikka Tuukkanen stand schwankend vor der Tür einer Kneipe in der Albertinkatu. Man ließ ihn nicht hinein, denn er war zu betrunken. Unter dem Arm trug er mehrere Ausgaben der Abendzeitung, in der die Geschichte von
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