Der Sohn des Haeuptlings
Mister Webster notierte die Abfahrtszeit. Dann blickte er zu seiner Frau hinüber. „Weißt du, in welcher Straße diese Leute wohnen?“
„Das ist es ja“, antwortete seine Frau ein wenig weinerlich. „Ich habe keine Ahnung. Tesu hatte ja nur einen Zettel mit der Anschrift, und diesen Zettel hat er Herrn Brosius gegeben, damit er ihn dorthin fährt —“
„Aber den Namen wissen wir wenigstens“, stellte der Amerikaner fest. „Langhans Mister Webster blickte auf. „Auch in Bad Rittershude existiert doch bestimmt ein Adreßbuch, Herr Pelz?“
„Das brauchen wir gar nicht“, erwiderte der Chefportier. „Wenn Sie mir den Namen Langhans gleich gesagt hätten, wären wir bestimmt schon einen ganzen Schritt weiter.“ Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Unsere Stadt ist ja gerade kein Dorf, aber so groß, daß man sich nicht kennt, so groß ist Bad Rittershude nun auch wieder nicht. Langhans, mit diesem Namen gibt es genau drei Familien. Mit einer bin ich sogar verschwägert. Aber wenn es dabei um einen Jungen geht, der so etwa das Alter von Mister Tesu hat, dann kommen nur die Langhansens in der Schellingstraße in Frage. Der Mann fährt bei Lohmeier abwechselnd Taxi und Omnibus.“
„Kennen Sie auch die Hausnummer?“ fragte Mister Webster.
„Das nicht“, meinte Herr Pelz. „Aber das haben wir gleich. Darf ich das Telefon benutzen?“
„Ich bitte Sie darum —“
Während der Chefportier jetzt eine Nummer wählte, jammerte Mrs. Webster wieder einmal mehr: „Wir hätten ihn nicht allein lassen dürfen —“
„Papperlapapp“, knurrte ihr Mann. „Schließlich hat uns das Thermalbad gut getan, und der Junge ist kein Kind mehr.“
„Aber in einem ganz fremden Land“, gab Mrs. Webster zu bedenken.
„Na schön, ein gutes Gewissen hab’ ich auch nicht“, gab Mister Webster zu. „Was denkst du, warum ich wie ein Schlot Zigarren rauche?“
„Bitte, Herrn Polizeimeister Kalender persönlich“, sagte in diesem Augenblick Chefportier Pelz in den Apparat. „Ich warte, es ist von höchster Wichtigkeit —“
Bereits zwei Minuten später saß der Polizeimeister neben seinem Reviervorsteher Nielsen wieder einmal in einem Funkstreifenwagen.
„Muß ja ein verdammt hohes Tier sein“, brummte Herr Kalender. „Amerikanisches Außenministerium und Berliner Alliierte Kommandantur oder so was Ähnliches. Schalten Sie Blaulicht ein und drücken Sie gefälligst auf die Tube.“
Und jetzt lief alles wie am Schnürchen.
In der Schellingstraße stolperten die Herren Kalender und Nielsen sozusagen fast über die schwarze Mercedes-Limousine, die immer noch an derselben Stelle parkte wie am Nachmittag. Sie verglichen die Nummernschilder mit den Zahlen, die ihnen Chefportier Pelz durchgegeben hatte. Aber das hätten sie sich eigentlich sparen können, denn schwarze Limousinen mit amerikanischen Standarten auf dem Kotflügel standen in Bad Rittershude ja nicht so zahlreich herum wie etwa die Gänseblümchen im Kurpark.
„Da brate mir einer auf der Stelle ‘n Storch“, bemerkte Polizeimeister Kalender zu seinem Kollegen, als sie im Inneren des Wagens den Butler Alfred Brosius entdeckten. Er war hinter dem Steuerrad ganz tief in die weichen Sitze abgesackt und schlief. Polizeimeister Kalender öffnete die Wagentür und sagte: „Guten Morgen.“ Aber der junge, kräftige Mann mit dem Kraushaar rührte sich nicht. Erst als ihn Herr Nielsen wachrüttelte, schlug er die Augen auf. Und als er bemerkte, daß es rund um ihn herum schon dunkel war und daß überall die Lichter brannten, bekam er einen heillosen Schreck. „O du heiliger Strohsack, ich muß mindestens fünf Stunden gepennt haben.“
„Und das mitten in einer belebten Straße“, stellte Polizeimeister Kalender fest. „Für so was sollte es eine Goldmedaille geben, ich gratuliere.“
Als sie daraufhin den schicken Trenchcoat von Tesu im Fond des Wagens entdeckten, trabten die Herren Kalender und Nielsen in die Wohnung von Familie Langhans.
„Schon begriffen“, stellte der Polizeimeister fest, als Emils Mutter berichtet hatte, daß am Nachmittag die Glorreichen Sieben mit zwei Fußbällen unter dem Arm in die Wohnung hereingeschneit waren.
„Und als ich dann zu meiner Schneiderin losgelaufen bin“, erwähnte Frau Langhans schließlich noch, habe sie auf den Gepäckträgern der Fahrräder, die neben der Haustür abgestellt waren, Trainingsanzüge und andere Sportklamotten entdeckt.
Der junge Sohn des Apachenhäuptlings Kuguah,
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