Der Sohn des Haeuptlings
noch eine Trainingsjacke besorgen können.
„Was allerdings mit deinen eleganten Hosen und Schuhen passiert“, hatte der lange Junge mit der Hornbrille noch gesagt, „das wissen die Götter.“
„It’s okay“, meinte Tesu lediglich und grinste wieder einmal.
„Nimm ihn vorerst in die Verteidigung und zeig ihm, wo’s drauf ankommt“, sagte er zu Karlchen Kubatz. Er selbst war natürlich Mittelstürmer.
Die andere Mannschaft hatte den Anstoß.
„Uhrzeit 18 Uhr null zwo!“ stellte der dickliche Sputnik noch fest. Er war nämlich ein sehr guter Schiedsrichter.
Für Tesu war Fußball etwas völlig Neues. Karlchen versuchte, ihm so nach und nach die Regeln zu erklären. Er war linker Verteidiger und Tesu sollte sein rechter Partner sein. Vorerst stand Tesu aber nur herum und sah lediglich zu, wie die anderen spielten.
Jetzt kam der erste Angriff durch. Karlchen Kubatz warf sich dem feindlichen Mittelstürmer entgegen. Er wurde aber umspielt, und jetzt kam der Angreifer fast ungehindert bis zum Elfmeterpunkt. Er konnte sich sogar Zeit lassen und in aller Seelenruhe aufs Tor knallen.
Trotzdem ging der Ball an der Latte vorbei. Allerdings haarscharf.
Der Torwart, ein breiter, untersetzter Junge aus der Paulsborner Straße, fluchte wie ein Kümmeltürke.
„Ihr Nußknacker, ihr Seifensieder! Wenn ihr natürlich mit den Händen in der Tasche rumsteht, können die ‘n Schützenfest veranstalten!“ Damit war natürlich Tesu gemeint. Der kleine Karlchen Kubatz hatte ja zu retten versucht, was noch zu retten war.
„Schnauze“, sagte Paul Nachtigall, der in diesem Augenblick vorbeikam. Er grinste zu Tesu. „Laß dir man Zeit. Auch wenn’s ‘n Tor kostet. Macht nichts. Holen wir schon wieder rein!“ Damit rannte er zur Mittellinie zurück.
Der Torwart legte immer noch wütend den Ball auf den Rasen. „Vielleicht ist der Herr wenigstens so freundlich, abzustoßen?“
Tesu sah fragend zu Karlchen Kubatz. Und der Junge mit dem Bürstenhaarschnitt nickte ihm zu. „Probier’s mal! Paß auf, ich zeig’s dir!“ Karlchen nahm einen Anlauf. Aber als er am Ball war, deutete er den Stoß nur an. „Einfach dagegen hauen. Ist egal, wo’s hingeht.“
Tesu stellte sich an den Platz, von dem aus der kleine Kubatz gerade gestartet war, und lief an.
Der Junge aus der Paulsborner Straße grinste verächtlich. Jetzt war Tesu am Ball und stieß dagegen. Leider rutschte er mit seinem Halbschuh etwas ab. So flog das Leder wohl ziemlich hoch, schlug aber ins Aus.
„Ist wohl die Tochter vom Erfinder persönlich?“ stellte der Torwart fest, spuckte aus und ging kopfschüttelnd zwischen seine Latten zurück.
Karlchen Kubatz aber zeigte Tesu, was er falsch gemacht hatte, und in der Halbzeit ging er sogar mit ihm zur Seite, warf ihm immer wieder den Ball zu und ließ ihn zurückspielen. Emil Langhans beteiligte sich an diesem Privattraining.
„Na siehst du, es kommt ja schon!“ Tesu hatte tatsächlich den Ball zum erstenmal aus der Luft genommen und voll getroffen. Er pfiff Karlchen Kubatz dicht an seinem Bürstenhaar vorbei. „Das also ist der Dank“, rief der kleine Junge und feixte.
Herr Brosius wird Weltmeister im Verschlafen
„Bitte, kommen Sie doch noch einmal herauf“, sagte Mister Webster ins Telefon.
Das war etwa im gleichen Augenblick, als Tesu zum erstenmal voll und lupenrein auf dem Fußballplatz des FC Bad Rittershude die lederne Kugel getroffen hatte.
Chefportier Pelz war ohne Rücksicht auf seinen Blutkreislauf über die zwei Treppen zu den Fürstenzimmern geflitzt. „Sie wünschen, Mister Webster?“
„Immer noch nichts von Tesu?“ fragte der Amerikaner. Er paffte heute abend schon an der fünften Zigarre, und das war selbst für ihn ungewöhnlich. In den Räumen lag
bereits ein Nebel wie nach einem mittleren Waldbrand.
„Bedaure — leider nichts, Mister Webster.“
„Kommen Sie rein, machen Sie die Tür zu.“
„Wenn ich ihn nur nicht fortgelassen hätte“, jammerte jetzt Mrs. Webster. „Aber dieser Herr Brosius ist doch ein vernünftiger und erwachsener Mensch!“
„Es hat jetzt keinen Zweck, sich Vorwürfe zu machen, Liz.“ Mister Webster zog wieder zwei-, dreimal an der Zigarre. Dann setzte er sich hinter seinen Schreibtisch, griff nach Papier und Bleistift. „Also, hübsch der Reihe nach.“ Er wandte sich an Herrn Pelz. „Wann ist der Wagen Ihrer Meinung nach abgefahren?“
„Es muß gegen 14 Uhr gewesen sein. Die zweite Post war gerade gekommen.“
„Schön!“
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