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Der Sohn des Haeuptlings

Der Sohn des Haeuptlings

Titel: Der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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ließ.
    „Schade, daß er so schnell wieder abgehauen ist“, rief Emil Langhans im selben Augenblick von seinem Fahrrad, und alle wußten natürlich, daß er den Sohn des Apachenhäuptlings meinte.
    Der schwarze Mercedes hatte inzwischen die Auffahrt zur Autobahn erreicht.
    „Mir fehlt noch der letzte Nagel, damit die Kiste richtig zu ist“, meinte Mister Webster und blickte dabei zum Fenster hinaus. Die Menschen trugen ihre Sonntagskleider spazieren und Kinder ließen Drachen steigen.
    „Du weißt, was ich meine?“ fragte der Amerikaner. „Welche Geschichte von Tecumseh hast du den Glorreichen Sieben erzählt?“ Er holte sich eine Zigarre aus seiner Jacke. „Ich zerbreche mir den Kopf, und sie fällt mir nicht ein.“
    „Es ist eine sehr alte Geschichte“, erwiderte Tesu. „In unseren Wigwams wird sie seit Generationen von den Vätern ihren Söhnen weitererzählt. Und von den Kindern, wenn sie erwachsen sind, wieder ihren Söhnen.“
    „Würdest du sie uns auch erzählen?“ fragte Mister Webster und setzte dabei seine Zigarre in Brand.
    Tesu drehte sich auf seinem Sitz nach hinten und legte dabei den linken Arm über die breite Lehne. „Es muß mehr als hundert Jahre vor den Schlachten am ,Wounded Knee’ gewesen sein. Tecumseh war der Häuptling von elf Stämmen der damaligen Navajos. Aber das wissen Sie bestimmt, Mister Webster.“
    „Tecumseh ist mir natürlich ein Begriff“, sagte der Amerikaner. „Aber ich habe keine Ahnung, welche Geschichte du meinst.“
    „Wenn sie bei uns erzählt wird, dauert sie oft viele Stunden“, meinte Tesu lächelnd. „Aber es geht auch in fünf Minuten.“ Er lehnte sein Kinn auf den Arm. „Eines Tages kam Ta-Ka-Lu, der älteste Sohn des Stammeshäuptlings ,Weiße Wolke’, zu Tecumseh. ,Mein Vater ist in die Wälder gegangen’, sagte er. ,Wenn der Adler in den Lüften seine Brüder nicht mehr über den Feldern der Prärie erkennt, ist seine Stunde gekommen. Auch mein Blick ist getrübt, und auch meine Stunde ist gekommen. Ich gehe von euch, um in Würde zu sterben.’ So sprach ,Weiße Wolke’, umarmte mich, und wir legten uns zum Schlaf ins Zelt. Am anderen Morgen war sein Lager leer. Seitdem sind zwei Monde vergangen, und wir haben die Tage der Trauer begonnen. Es war der Wille meines Vaters, daß ich den Stamm nach ihm führe. Mache mich zum Häuptling, Tecumseh.’“
    „Ich kenne die Geschichte wirklich nicht“, bemerkte Mister Webster.
    „Dann erzähle ich weiter“, erwiderte Tesu, ohne seine Haltung zu verändern. „ ,Ich werde mich mit den Häuptlingen der Stämme beraten’, gab Tecumseh zur Antwort. ,Komme in zwei Tagen wieder.’ Er wollte sich nicht sofort entscheiden, denn Ta-Ka-Lu war im Zeichen des Raben und der Schlange geboren. Und als dann Tecumseh den versammelten Stammeshäuptlingen vom Ende der Reißen Wolke’ erzählte, gab es keinen unter ihnen, der den Worten des Sohnes glaubte. ,Er brannte schon immer vor Ehrgeiz’, sagten sie. ,Der Sohn hat den Vater getötet, um selbst Häuptling zu sein.’ Tecumseh gab zu bedenken, wie schwer die Anklage sei. ,Wir müssen seine Tat beweisen können’, sagte er. ,Laßt mich mit meinen Gedanken allein.’ Als dann Ta-Ka-Lu nach zwei Tagen wieder in sein Zelt kam, fragte er ihn nach dem Totem. Beim Abschied habe ihm der Vater doch sicherlich zum Zeichen dafür, daß er ihn zum Nachfolger bestimmt habe, sein Totem gegeben. Ta-Ka-Lu war nur für einen kurzen Augenblick verwirrt. Dann versicherte er, im Besitz des Häuptlingszeichens zu sein. ,Wenn du es bringst, wirst du der Mächtigste in eurem Stamm sein’, sagte Tecumseh. Der Sohn der ,Weißen Wolke’ sprang auf sein Pferd. ,In wieder zwei Tagen bin ich zurück.’ Aber das kurze Zögern vor seiner Antwort hatte Tecumsehs Argwohn bestärkt. Von dieser Stunde an ließ er Ta-Ka-Lu von seinen besten Kriegern und Spähern bewachen. Schon in der nächsten Nacht verließ der Sohn der ,Weißen Wolke’ heimlich sein Zelt, und sie folgten ihm bis zu einem niedrigen See zwischen den Wäldern. Er suchte das Ufer ab, bis er eine bestimmte Stelle gefunden hatte, ging ins Wasser, tauchte unter, kam erschöpft ans Ufer zurück, warf sich schwer atmend in den Sand und stürzte sich dann erneut ins Wasser. Als er jetzt wieder aus dem See zurückkam, fielen die Krieger Tecumsehs über ihn her und fesselten ihn. Am nächsten Tag kamen immer mehr Krieger, sie brachten ihre Kanus mit sich und suchten, bis sie ,Weiße Wolke’ fanden. Der alte Häuptling war

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