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Der Sohn des Haeuptlings

Der Sohn des Haeuptlings

Titel: Der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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mit gekreuzten Beinen auf die Couch oder auf den Teppich. „So, und jetzt wird Kriegsrat gehalten“, meinte der dickliche Sputnik in der Hoffnung, dem Gast entgegenzukommen. „Wenn wir Indianer spielen, was im Sommer manchmal der Fall ist, heißt Emil ,Häuptling Klapperschlange’, Karlchen ist ,Häuptling Feuerschlag’, Manuel ,Häuptling Schwarzfeder’ und —“ Er kam ein wenig ins Stottern, weil er merkte, daß Tesu überhaupt keine Miene verzog. „Jedenfalls gibt es bei uns nur Häuptlinge, wie du siehst“, witzelte er noch verlegen. Daraufhin versiegte sein Redestrom ein wenig unsicher und so wie Wasser, wenn man allmählich den Hahn zudreht.
    „Wigwam immer hier auf Balkon?“ fragte Tesu nach einer Weile ernsthaft. „Wir mit unsere Tipi —“
    „I wo“, unterbrach ihn Manuel Kohl. „Damit fahren wir, sobald es Sommer wird, raus in die Wälder hinter dem Stadtgraben und bleiben da die ganze Nacht. Mit Lagerfeuer, Indianermusik vom Kassettenrecorder und allen Schikanen —“
    „Uff!“ zischte Tesu wieder einmal.
    „Stimmt es, daß dein Vater ‘n richtiger Häuptling ist?“ fragte Karlchen Kubatz jetzt wie aus heiterem Himmel.
    „Kuguah ist mein Vater und Häuptling der Apachen“, antwortete Tesu.
    „Donnerlittchen“, japste der kleine Junge mit dem Bürstenhaarschnitt. Er war jetzt doch richtig platt.
    Emil Langhans dagegen wollte es genau wissen. „Und läuft bei euch jetzt seit neuestem alles so piekfein angezogen durch die Gegend? Ich meine, so wie du?“
    Diesen Satz mußte Karlchen Kubatz noch einmal ins Englische übersetzen.
    Dann grinste Tesu wie ein regelrechter Lausejunge.
    „Nein, in Mapimi noch so wie da“, er zeigte auf die Bilder an den Wänden und auf die bunten Umschläge der Indianerbücher, die ja immer noch herumlagen. „Das hier“, jetzt deutete er auf seinen eleganten Trenchcoat, seine Hose und seine modernen Schuhe — „alles nur gekauft in Chicago von Mistress Webster.“
    „Dieser Mister Webster ist der Ami, der ihn mitgebracht hat“, erklärte Emil Langhans seinen Freunden.
    „Und deinen eigenen, echten Kopfschmuck und so weiter — hast du alles in Berlin gelassen“, fragte jetzt wieder Manuel Kohl.
    „Nein, ich habe alles mitgebracht, wie Emil am Telefon hat sagen lassen“, antwortete Tesu. „Thank you“, stammelte der lange Junge mit der großen Hornbrille geradezu gerührt. „Das ist sehr freundlich von dir gewesen, Tesu.“ Und den anderen erklärte er: „Als dieser Butler aus Berlin anrief, habe ich darum gebeten.“
    „Schade, daß du im Sommer vermutlich nicht mehr in Bad Rittershude bist“, bemerkte jetzt der kleine Karlchen Kubatz. „Wenn wir da gelegentlich wie Indianer durch die Gegend turnen —“ er überlegte und schränkte ein: „Also, ich meine, wenn wir etwa so hausen, wie wir glauben, daß Indianer früher einmal gelebt haben, dann würdest du unter Garantie Bauklötze staunen, was ich mit dem Pfeil so alles treffe. Ich will jetzt nicht übertreiben, aber wenn ich in Topform bin, schaffe ich eine Ameise auf zehn oder fünfzehn Meter.“
    „It’s yours“, sagte Tesu ohne eine Miene zu verziehen, was im Grunde nur soviel heißt wie etwa: „Bitte schön.“ Er zeigte dabei auf den Balkon hinaus.
    „Der Mittelpunkt beim zweiten O von COCA COLA“, grinste Emil Langhans. Er gab Karlchen zuerst den großen Bogen und dann einen Pfeil.
    Der Junge mit Bürstenhaarschnitt zierte sich jetzt wie eine Filmdiva, wenn man sie um ein Autogramm bittet.
    „Na ja — man sagt manchmal nur so was dahin. Ameise auf zehn oder fünfzehn Meter ist natürlich ‘n bißchen dicke.“ Trotzdem mußte Karlchen wohl oder übel den Bogen nehmen und dann den Pfeil.
    „Hoffentlich jage ich da drüben das Ding nicht durch die Betonwand und habe hinterher Unannehmlichkeiten“, brummte er noch, und dabei spannte er den Bogen. Der Pfeil schlug etwa zwei Meter links vom Ziel gegen die Wand und prallte ab.
    „Gib mal her“, meldete sich jetzt der dickliche Sputnik. Er hoffte, mehr Glück zu haben und so vielleicht den angekratzten Glanz der Glorreichen Sieben wieder einigermaßen zum Leuchten zu bringen. Aber leider fiel sein Pfeil schon in den Hof, bevor er überhaupt die gegenüberliegende Hauswand erreicht hatte.
    Die letzte Hoffnung lag jetzt bei Emil Langhans. Von den übrigen war bekannt, daß Bogenschießen nicht ihre starke Seite war.
    „Die Glorreichen Sieben bauen auf dich“, grinste Hans Pigge, der Junge mit dem blonden

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