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Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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dafür war. Wo waren alle? Und wo waren die Kreuzfahrer? Selbst wenn sämtliche Einwohner vertrieben worden wären, hätten die Straßen und Plätze von Pilgern überquellen müssen.
    Wenn man jedoch vom gelegentlichen Knarren eines Wagenrads absah, herrschte in der Stadt Stille. Selbstverständlich fiel das auch den Nordmännern auf, und ihre gute Laune nahm nach und nach ab, je weiter sie die Straße hinaufgingen, bis schließlich niemand mehr ein Wort sagte und sie nervös an den stillen Häusern vorbeieilten.
    Die breite Hauptstraße endete an der Zitadelle im oberen Teil der Stadt. Der letzte Anstieg zur Festung stellte das steilste Stück des Weges dar, und als sie endlich den Platz vor der Feste erreichten, waren die Seefahrer außer Atem. Auf der linken Seite des Platzes, unmittelbar unter der Festungsmauer, markierten vier große Tore die Ställe. Das erste Tor stand weit offen, und unter einem Baldachin aus Weinranken saßen fünf oder sechs Männer und dösten im Schatten vor sich hin.
    Als die Neuankömmlinge sich ihnen näherten, stand einer der Männer auf und trat ein paar Schritte auf sie zu. Dann blieb er kurz stehen, rief etwas über die Schulter in den Stall hinein und ging den Seemännern weiter entgegen. Als sechs Männer kurz darauf aus dem Tor stolperten, hob der Mann die Hand, um die Nordmänner zum Stehen zu bringen. Das taten Jon und seine Leute dann auch und warteten.
    Der Mann redete in einer Sprache auf sie ein, die keiner von ihnen verstand. Als er keine Antwort erhielt, wiederholte er seine Worte, diesmal jedoch auf Latein. »Was habt ihr hier zu suchen?« verlangte er zu wissen und legte die Hand auf das Messer in seinem Gürtel.
    »Wir sind gekommen, um uns König Magnus von Norwegen anzuschließen«, antwortete Bruder Ronan mit klarer Stimme. »Können wir den König hier finden?«
    Bevor der Mann etwas darauf erwidern konnte, drängte sich jemand hinter ihm nach vorne. »Jon Reißzahn!« rief der Mann in der Sprache der Nordmänner. »Dann hast du deinen alten Kadaver also doch noch hierhergeschleppt!«
    »He, he!« erwiderte Jon fröhlich. »Da sind wir nun, und wer ist der erste, den wir treffen?« Er drehte sich zu seinen Gefährten um und verkündete: »Seht mal her! Wenn sie schon einen alten Schädelspalter wie Hakon Gabelbart am hellichten Tag auf die Straße lassen, dann weiß ich, daß wir an den richtigen Ort gekommen sind.«
    Die beiden Männer klopften einander auf den Rücken und umarmten sich wie Verwandte. Dann begannen sie laut miteinander zu reden. Weitere Männer wankten aus dem Stall und gesellten sich zu ihnen; die Priester und einige der Seeleute schlossen sich Jon an und begrüßten die anderen wie lange verloren geglaubte Verwandte. Mur-do schaute dem Schauspiel lediglich zu, denn er war sich plötzlich bewußt geworden, daß der lange von ihm herbeigesehnte Augenblick nun endlich gekommen war und daß ihn mit einem Mal die ebenso lange gepflegte Entschlossenheit zu verlassen drohte.
    »Kommt, meine verirrten Seewölfe!« rief der Mann mit Namen Hakon, und seine Stimme hallte wie ein Donnerschlag über den Platz. »Der König wird sich freuen, daß seine Priester und Piraten nun doch noch angekommen sind. Folgt mir!«
    Er führte sie zur Stalltür, wo ihm auf der Schwelle ein weiterer Nordmann entgegentrat. Letzterer war groß und jung, und er trug braune Lederhosen und einen edlen, neuen Leinenwams. Sein Haar war lang und hell, sein Zopf dick.
    Die beiden Männer tauschten kurz ein paar Worte aus, dann winkte der Mann mit Namen Hakon die Neuankömmlinge herein, während der Fremde beiseite trat und jeden aus Jons Gruppe persönlich begrüßte.
    Murdo nahm seinen Platz hinter Oski und Ymir am Ende der Reihe ein. In der Hoffnung, nicht bemerkt zu werden, senkte er den Kopf und versuchte, an dem Fremden vorbeizuschlüpfen. Diese Hoffnung war jedoch vergebens, denn als er die Tür erreichte, sah ihn der junge Nordmann, legte ihm die Hand auf die Brust und zwang ihn so, stehenzubleiben. »Halt, mein Freund!« sagte er. »Wer ist denn der Mann mit dem mutigen Blick?« Er legte Murdo die Hand unters Kinn und hob es hoch, so daß er ihm ins Gesicht schauen konnte. »Wo haben die Seewölfe dich denn aufgefischt, Junge?«
    Da ihm keine andere Wahl blieb, straffte Murdo die Schultern, hob den Kopf und blickte dem Mann unverwandt in die Augen. »Meine Name ist Murdo Ranulfson«, antwortete er rundheraus. »Ich bin mit den Priestern in Inbhir Ness an Bord

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