Der Sohn des Kreuzfahrers
Haut von Blasen übersät, wenn sie sich nicht schon wie an Schultern, Stirn und Lippen abgelöst hatte. Er war so benommen, daß er nicht mehr sprechen konnte.
»Murdo!« schrie der Priester und rannte auf ihn zu. »Oh, fy enaid, was haben sie dir angetan?«
Erleichtert und besorgt zugleich zog der fette Mönch seinen Umhang aus und legte ihn vorsichtig über Murdos sonnenverbrannte Schultern. »Komm, laß uns aus der Sonne gehen. Das Hospital liegt direkt hinter diesem Hügel. Es ist nicht weit. Kannst du gehen, oder soll ich dich tragen? O Murdo, was ist geschehen? Nein, sag kein Wort. Wir können später immer noch reden. Spare deine Kräfte. Komm mit mir, mein Sohn. Du bist jetzt in Sicherheit. Ich werde mich um dich kümmern.«
Sanft, ganz sanft und vorsichtig drehte der gute Bruder Murdo herum und führte ihn an der Hand über den Hügel zu einem kleinen Olivenwäldchen, wo die Kreuzfahrerfürsten ein Lager für die Kranken und Verwundeten errichtet hatten. Dort, im Schatten der Olivenbäume, kümmerten sich Priester und Frauen - die Witwen und Ehefrauen der Pilger - um die Bedürftigen. Trotz der beruhigenden Gegenwart der Mönche vermittelten einem die Geräusche das Gefühl, als befinde man sich auf unruhiger See: das unablässige Stöhnen der Verwundeten, das Schreien und Wimmern der Sterbenden und das Kreischen der Wahnsinnigen, die von ihren Träumen immer wieder aus dem Schlaf gerissen wurden.
Emlyn führte den teilnahmslosen Murdo zu einem Platz am Rande des Lagers und setzte ihn unter die dichten Zweige eines kleinen Baumes. »Bleib hier, und beweg dich nicht«, wies er ihn an. »Ich werde dir etwas Wasser holen.«
Der Kirchenmann eilte davon und kehrte nur wenige Augenblicke später keuchend und prustend mit einer Kalebasse Wasser wieder zurück, die er Murdo an die Lippen hob. »Trink das. Öffne den Mund, und befeuchte deine Zunge.« Murdo tat, wie ihm geheißen. »Ja, so ist gut. Trink ein wenig.«
Das Wasser füllte seinen Mund, und er schluckte es hinunter; dann trank er in langen, gierigen Zügen. »Langsam, langsam«, warnte Em-lyn und nahm ihm die Kalebasse wieder weg. »Laß dir Zeit, Junge. Es gibt hier genug davon.«
Murdo griff nach der Kalebasse und zog sie wieder an seinen Mund. »Die Sarazenen haben jeden Brunnen in mehreren Meilen Umkreis der Stadt vergiftet«, berichtete ihm Emlyn. »Bis gestern mußten wir das Wasser aus den judäischen Bergen und von noch weiter her holen. Jetzt bekommen wir es aus der Stadt; also trink, soviel du willst.«
Als Murdo die Kalebasse schließlich wieder von sich schob, hockte sich der Mönch auf die Fersen. »Du müßtest dich nur einmal ansehen, mein Freund. Was ist nur mit dir geschehen? Ronan und Fionn werden sich freuen zu hören, daß du wieder in Sicherheit bist. Wir haben uns schon Sorgen gemacht, als du nicht zurückgekehrt bist, nachdem die Stadt erobert war. Ich werde ihnen die freudige Nachricht überbringen, sobald sie wieder zurückkehren - sie beratschlagen sich nämlich gerade mit König Magnus. Mir hat man gestattet, auf die Suche nach dir zu gehen. Bist du verletzt?« Ohne auf eine Antwort zu warten, begann er Murdos Leib und Glieder zu untersuchen. »Ich sehe keine ernsthaften Verletzungen«, verkündete er schließlich, »außer daß du zu lange in der Sonne gewesen bist. Dagegen kann ich allerdings etwas tun, glaube ich.«
Emlyn legte die Kalebasse beiseite und eilte erneut davon. Mur-do lehnte sich zurück und genoß den Schatten auf seinem sonnengeplagten Kopf. Plötzlich kam das Wasser, das er getrunken hatte, wieder hoch. Er spürte, wie es in seinem Magen zu brodeln begann und dann seinen Mund füllte. Er beugte sich vor, stützte sich auf die Hände und übergab sich. Sofort fühlte er sich besser. Er lehnte sich wieder zurück und schlief ein.
Obwohl er nur einen Augenblick lang eingenickt zu sein glaubte, lag der Olivenhain bereits in Schatten, als er wieder erwachte. Jenseits des Tales leuchteten die Mauern der Heiligen Stadt golden im Licht der untergehenden Sonne. Murdo lag eine Zeitlang einfach nur da. Er war unfähig, darüber nachzudenken, wo er sich befand oder was mit ihm geschehen war. Doch während er die schimmernden Wälle und die hohen dunklen Rauchsäulen dahinter betrachtete, kehrte der Schrecken wieder zu ihm zurück.
Sofort traten ihm die Tränen in die Augen, und Murdo weinte. Erneut sah er das arme, ertränkte Kind, die hilflosen, ermordeten Babys, die verbrannten Juden in ihrem Tempel, und
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