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Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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Sand der Wüste. Er griff nach dem Löffel und machte sich über das Essen her.
    Emlyn schüttelte den Kopf. »Das weiß nur Gott allein«, antwortete er. »Ich habe dich so gefunden. Ich fürchtete, die Sarazenen hätten dir aufgelauert. Du warst von der Sonne benebelt, glaube ich, und konntest nicht sprechen.« Der Priester blickte ihn mit seinen großen, freundlichen Augen an. »Hat man dich angegriffen?«
    Den Mund voll mit eingeweichtem Brot, schüttelte Murdo den Kopf.
    »Einige von diesen Dingen, die sie sagen ... schreckliche Dinge. Ich kann nicht.« Der Mönch sprach nicht weiter und wandte sich ab.
    Murdo blickte auf und sah, daß Emlyn die Tränen in den Augen
    standen.
    Murdo schnürte es die Kehle zu, und auch ihm stiegen die Tränen wieder in die Augen. Er senkte den Kopf, und erneut begann er zu weinen. Große salzige Tränen fielen aus seinen Augen und in die Schüssel auf seinem Schoß; wieder schüttelte Schluchzen seinen Körper, und er zitterte am ganzen Leib, als Kummer und Scham ihn von neuem übermannten.
    Emlyn kniete sich neben ihn und nahm ihm die Schüssel ab; dann spürte Murdo, wie die Arme des Mönches ihn umschlangen. Em-lyn drückte Murdo an seine Brust und flüsterte: »Laß es raus, Mur-do. Laß alles raus. Gib es Gott, mein Sohn. Laß unseren guten Hirten dir deine Last abnehmen.«
    Murdo gab sich dem Kummer hin. Wie zuvor war er machtlos gegen die Flut der Gefühle. Die Wellen der Reue trugen ihn hierhin und dorthin und schlugen ohne Erbarmen auf ihn ein.
    Emlyn hielt ihn fest, streichelte ihm über den Kopf, und nach einer Weile begann er mit seiner sanften, murmelnden Stimme zu singen: »Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele. Er führet mich aufrechter Straße um seines Namens willen. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.«
    Nachdem er den Psalm beendet hatte, begann der Mönch einen weiteren und noch einen - bis der Kummer schließlich weniger wurde.
    Murdo wischte sich die letzten Tränen aus den Augen und über die verbrannten Wangen. Emlyn ließ ihn wieder los und griff nach der Kalebasse. Als er sah, daß sie leer war, ging er davon, um frisches Wasser zu holen, und als er zurückkehrte, saß Murdo mit der Schüssel auf dem Schoß am Baum und löffelte eifrig Brühe in sich hinein. Dankbar nahm er auch die Kalebasse entgegen und trank einen kräftigen Schluck.
    Schweigend saßen Emlyn und Murdo bis zur Dämmerung bei-
    einander und beobachteten, wie überall in den Lagern die Feuer entzündet wurden. Dann rollte sich Murdo mit Hilfe des Mönches auf die Seite, legte den Kopf auf die Hände und schloß die Augen. Das letzte, was er hörte, war Emlyns Versprechen, bei ihm zu bleiben und über ihn zu wachen.
    Zweimal erwachte Murdo während der Nacht vom Lärm seiner eigenen Schreie. Die Grausamkeiten, deren Zeuge er geworden war, verfolgten ihn bis in den Traum hinein, und er stellte sich vor, wie er selbst in der brennenden Moschee gefangen war oder mit einem Speer im Bauch um jeden Atemzug kämpfte. Jedesmal war Emlyn sofort an seiner Seite, um ihn zu trösten und ihn mit einem Psalm wieder in den Schlaf zu singen.
    Am nächsten Morgen war Emlyn nirgends zu sehen, also schloß Murdo wieder die Augen und döste vor sich hin. Kurze Zeit später hörte er, wie jemand sich raschen Schrittes dem Baum näherte. Er hob den Kopf. »Emlyn?«
    »Murdo, ich wollte dich eigentlich wecken.« Emlyns Stimme zitterte ein wenig. »Du mußt sofort mit mir kommen.«
    »Warum? Was ist geschehen?«
    »Fionn ist gerade gekommen. Es könnte sein, daß er deinen Vater gefunden hat.« Emlyn nahm seinen Umhang, schüttelte ihn aus und richtete Murdo daraus ein provisorisches Gewand. »Wir müssen uns beeilen.«
    »Wo ist er?« fragte Murdo. Der rauhe Stoff scheuerte auf seiner Haut. »Ist es weit von hier?«
    »Nicht weit. Fionn sucht gerade einen Esel für dich.«
    »Ich kann gehen.« Murdo versuchte, sofort aufzustehen. Seine Haut war zwar verbrannt, doch es waren seine Füße, die ihm mehr als alles andere schmerzten: Zerschnitten und zerschunden, waren sie inzwischen geschwollen und konnten sein Gewicht nicht mehr tragen. »Au!« schrie er und setzte sich rasch wieder hin. »Nein, das tut zu weh.«
    »Laß mich dir helfen.« Emlyn riß einige Streifen Stoff vom Saum des Umhangs und fertigte

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