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Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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untersuchte gerade das sechste oder siebte dieser Gräber, als er im angrenzenden Raum Schritte hörte, und er erinnerte sich daran, daß er eigentlich aufdie anderen hätte warten sollen. Rasch drehte er sich um und humpelte auf demselben Weg zurück, den er gekommen war. Als er die Tür erreichte, sah er Fackellicht im angrenzenden Stollen.
    »Ich bin hier!« rief er und schlurfte so schnell ihn seine wunden Füße trugen zurück Richtung Treppe. Er duckte sich durch die Tür hindurch, doch anstatt seinen Gefährten stand er einem großen, dunkelhaarigen Mönch in weißem Gewand gegenüber. Der Mönch trug eine Fackel, die so hell brannte, das sie fast den gesamten Stollen ausleuchtete. »Oh!« sagte Murdo überrascht. »Ich dachte. Ich wollte nur.«
    Murdos Erklärung verhallte im Nichts, als er den Priester erkannte. »Ihr!« keuchte er. Seine Gedanken kehrten zu jenem Tag in Antiochia zurück, als er auf seiner Suche nach dem Marktplatz und der Zitadelle die kleine Kapelle gefunden hatte.
    »Ihr wart in Antiochia«, sagte er. »Ich habe Euch dort gesehen -in der Kapelle. Ihr habt mir den Weg gewiesen.«
    »Und hast du den Weg gefunden?« fragte der weiße Priester.
    »Das habe ich«, antwortete Murdo. Das Atmen bereitete ihm Mühe, denn die Luft schien mit einem Mal schwerer geworden zu sein. Er starrte den Mönch an und bemerkte, daß das Licht der Fackel unerklärlicherweise keine Schatten warf. »Seid Ihr derjenige, den man Andreas nennt?«
    Der Priester betrachtete ihn mit seinen irritierend funkelnden, dunklen Augen. »Der bin ich«, antwortete er und legte den Kopf zur Seite, als lausche er auf irgend etwas. Nach einer Weile sagte er: »Die Nacht ist fast vorüber, und die Zeit läuft uns davon. Willst du mir dienen, Bruder?«
    Murdo schluckte. »Verzeiht mir, Herr«, erwiderte er, »aber ich fürchte, ich muß Euch enttäuschen, denn ich habe nicht die Absicht, Mönch zu werden.«
    Der Priester lachte lauthals auf, und seine Stimme hallte durch die Kammer. Murdo empfand es als seltsam, ein solch fröhliches
    Geräusch im Reich der Toten zu hören. Er schaute sich rasch um, als fürchte er, ein derart plötzlicher Angriff der Freude könnte die Toten zu neuem Leben erwecken.
    »Ich habe genug Mönche, mein Freund«, erklärte der Priester. »Aber ich brauche auch Könige.«
    »Ich bin kein König«, erwiderte Murdo, »und ich werde auch nie einer sein. Ich bin nichts weiter als ein Bauer.«
    »Ein Bauer ohne Hof?« sinnierte Andreas. »Das ist neu. Doch andererseits scheint im Augenblick die gesamte Welt kopfzustehen.« Er betrachtete Murdo mit durchdringendem Blick. »Sag mir: Wenn der König die Felder des Bauern an sich reißt, warum sollte der Bauer dann nicht den Thron des Königs besteigen?«
    Murdo trat nervös von einem Fuß auf den anderen.
    »Alles, was du besitzt, ist dir aus gutem Grund gegeben worden, Bruder. Ich frage dich erneut: Willst du mir dienen?«
    Die Frage hing im Raum und verlangte nach einer Antwort. »Ich werde tun, was ich kann«, erwiderte Murdo schließlich.
    »Wenn alle Menschen soviel tun würden«, erklärte der Mönch, »dann wäre das mehr als genug.« Er hob die Hand, um sie Murdo auf die Schulter zu legen. Aus Furcht vor seinem Sonnenbrand zuckte Murdo unwillkürlich zusammen, doch die Berührung war so sanft, daß sie keinerlei Schmerzen verursachte. Statt dessen hatte Murdo das Gefühl, von einer großen, erhabenen Macht festgehalten zu werden - mehr noch: Er spürte eine leidenschaftliche Entschlossenheit im Griff des Priesters. Unfähig, sich zu bewegen oder zu sprechen, blieb Murdo nichts anderes übrig als zuzuhören und zu beobachten.
    »Errichte mir ein Reich, Bruder.« Andreas' Blick drängte ihn zu akzeptieren, was er soeben gehört hatte, zwang ihn zu glauben. »Errichte ein Reich, in dem meine Schafe in Frieden weiden können«, fuhr der Mönch fort, »und errichte es weit, weit weg vom Ehrgeiz kleingeistiger Menschen und ihrem Streben nach Macht und Reichtum. Mache es zu einem Königreich, wo die Menschen in Frieden dem Wahren Weg folgen können, und wo das Heilige Licht den Suchenden den Weg weist.«
    Bevor Murdo sich eine Antwort auf diese außergewöhnliche Bitte überlegen konnte, rief eine Stimme vom Eingang der Katakomben her: »Murdo! Bist du da! Wir brauchen die Fackel!«
    »Ronan!« keuchte Murdo. »Das hatte ich ja ganz vergessen.« Er drehte sich in Richtung des Geräuschs um und bemerkte überrascht, daß er sich wieder bewegen konnte. Dann ging

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