Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
Vom Netzwerk:
Stufen hinab.
    Auf Emlyns Arm gestützt humpelte Murdo auf seinen wunden Füßen Fionn hinterher, während Ronan mit der zweiten Fackel das Schlußlicht bildete. Die Stufen führten tiefer und immer tiefer in den Fels hinein, bis sie schließlich in einer großen Kammer endeten, die aus dem Heiligen Berg selbst herausgehauen worden war.
    Hunderte kleiner und großer Nischen waren aus der Wand gebrochen worden. In vielen von ihnen sah Murdo graue Knochenhaufen, die im flackernden Licht der Fackeln zu einem schattenhaften Leben zu erwachen schienen. Am anderen Ende der Kammer befand sich eine niedrige Tür, deren steinerne Pfosten und Sturz eine schwarze Leere umrahmten.
    »Der Eingang zu den Katakomben«, erklärte Thaddäus und führte sie weiter.
    Ein kalter Luftzug wehte über die Männer hinweg, als sie sich in einen schmalen Gang duckten, der an einer kleinen Treppe endete. Die Decke des Gangs war schwarz vom Ruß der Fackeln. Tief gebückt stieg Murdo die Stufen hinab und fand sich schließlich in einem langen, unterirdischen Stollen wieder. Reihe um Reihe, Stufe um Stufe waren tiefe Hohlräume aus dem Fels gehauen worden. Einige hatte man mit Schutt versiegelt, doch die meisten waren offen, so daß man deutlich sehen konnte, was - oder besser wer - sich darin befand: vertrocknete staubgraue Leichen, deren von pergamentartiger Haut überzogene Knochen aus den verwitterten Überresten von Leichentüchern ragten.
    Bruder Thaddäus führte die Gäste durch den Stollen, durch eine Tür und in einen weiteren Stollen gleich dem ersten, den sie ebenfalls durchquerten. So ging es weiter, bis sie schließlich einen vierten Stollen erreichten. Auch dieser letzte unterschied sich kaum von den anderen mit einer Ausnahme: Er war noch nicht ganz fertig, denn an seinem Ende standen Leitern und lagen Werkzeuge inmitten von Schutt vor halboffenen Nischen. Auf allem lag eine dicke Staubschicht, was darauf schließen ließ, daß schon seit Jahren niemand mehr hier gearbeitet hatte.
    Als sie die leeren Nischen erreichten, sagte Thaddäus: »Ich glaube, diese hier werden Eurem Zweck genügen.« Dann bot er erneut an: »Wenn Ihr es wünscht, werde ich einige Brüder rufen, um Euch mit den Toten zu helfen.«
    »Das ist sehr rücksichtsvoll von Euch, Bruder«, erwiderte Ronan, »aber wir haben Eure Nachtruhe schon viel zu lange gestört. Wir
    werden diese Arbeit selbst erledigen.«
    »Es ist Eure Entscheidung«, erklärte Thaddäus, offenkundig erleichtert darüber, daß sein Angebot abgelehnt worden war.
    Er führte sie auf demselben Weg zurück, den sie gekommen waren, und als sie das Ende des ersten Stollens erreichten, gab Ronan die Fackel an Murdo mit den Worten: »Vielleicht wäre es besser, wenn du hier unten warten würdest, um uns den Weg zu erhellen.«
    Murdo nahm die Fackel entgegen und blickte seinen Gefährten hinterher, während diese die Treppe zur Krypta emporstiegen. Rasch verhallten ihre Schritte, und Murdo war allein in der Stille der Katakomben. Eine Zeitlang blieb er an Ort und Stelle stehen und schaute sich um; dann fiel sein Blick auf eine Grabnische, an deren Seite eine Inschrift in den Fels gemeißelt worden war. Er hielt die Fackel näher an die Nische heran und erkannte die Schrift als Griechisch. Als er daraufhin die anderen Gräber untersuchte, entdeckte er, daß auch die meisten anderen mit griechischen Inschriften verziert waren; doch er fand auch einige wenige mit lateinischen Schriftzeichen. Auf einem von diesen konnte er den Namen des Toten und das Todesjahr entziffern: Marcus Patacus... Anno Domini 692.
    Hier lag ein Mann, der vor mehr als vierhundert Jahren gelebt hatte! Murdo vermochte sich eine solche Zeitspanne kaum vorzustellen, aber die Entdeckung entfachte in ihm den Wunsch, ein weiteres solches Grab zu finden, das womöglich noch älter war. Also humpelte er durch den Stollen und hielt die Fackel an jede Inschrift, an der er vorüberkam. Als er das Ende des Stollens erreichte, drehte er sich um und betrat einen ihm unbekannten Raum. Der Raum war riesig; unzählige Säulen stützten die hohe, gewölbte Decke. Wie in den anderen Räumen, so befanden sich auch hier überall Nischen, in denen Hunderte von Toten ruhten. Allerdings gab es hier auch einige prächtig verzierte Gräber - manche in der Wand, andere mitten im Raum. In die meisten dieser Gräber hatte man Bilder von Frauen und Männern in fließenden Gewändern eingemeißelt, Menschen mit ernsten, würdevollen Gesichtern.
    Murdo

Weitere Kostenlose Bücher