Der Sohn des Kreuzfahrers
denen uns Gott in seiner Gnade ausgestattet hat, sondern auch mit dem Leben unserer Verwandten, unserer Freunde und der Krieger, die uns gefolgt sind.«
»Um Himmels willen, kommt endlich zur Sache!« rief ein Edelmann aus Bohemunds Gefolge.
Robert funkelte den Mann kalt an und fuhr fort: »Mein einziges Interesse besteht darin, diese Stadt unter der Führung und dem Schutz eines fähigen Herrschers zu sehen, sowohl in weltlicher als auch in geistlicher Hinsicht, denn nur so kann die Sicherheit der Einwohner gewährleistet werden und die der unzähligen Pilger, die unseren Spuren folgen werden.«
»Hört! Hört!« brüllten Bohemunds Verbündete; einige trommelten mit der flachen Hand auf den Tisch.
»Meine Herren!« meldete sich Graf Raimund mit lauter Stimme zu Wort und beugte sich vor. »Ein solches Verhalten geziemt sich nicht. Wir sind hier, um den nächsten König von Jerusalem zu wählen.«
»Wir sind hier, um die Beute aufzuteilen!« rief eine Stimme aus Balduins Gefolge.
»Alles zu seiner Zeit, mein Freund«, erwiderte Raimund in herrischem Tonfall. »Jene, die nur an weltlichen Reichtümern interes-siert sind, werden ihre Belohnung bekommen, aber zunächst werden wir uns mit höheren Fragen beschäftigen.« Er nickte Robert zustimmend zu und sagte: »Ich bitte Euch, mein Freund: Fahrt fort. Wir hören.«
Robert, der durch die ständigen Unterbrechungen allmählich nervös geworden war, beschloß, seine Ausführungen abzukürzen und eilte entschlossen auf das Ende seiner Rede zu. »Daher empfinde ich es als ausgesprochen angemessen, daß wir an jenem Ort zusammengekommen sind, wo unser Herr aus dem Grabe auferstanden ist, um hier die Auferstehung der Heiligen Stadt in die Wege zu leiten, auf daß sie von diesem Tag an.«
»Der König! Der König!« rief einer von Bohemunds Männern. »Wer soll König sein?«
»Ruhe, alle miteinander!« brüllte einer aus Gottfrieds Lager. »Oder das wird noch den ganzen Tag dauern!«
Robert wußte inzwischen nicht mehr, was er eigentlich hatte sagen wollen, und so trat er eilig den Rückzug an. »Daher glaube ich, daß wir keinen besseren Mann für den Thron von Jerusalem finden können als Raimund, Graf von Toulouse und der Provence.« Er setzte sich rasch, doch es dauerte einen Augenblick lang, bis die restliche Versammlung begriff, daß er in der Tat aufgehört hatte.
Der Herzog von der Normandie nutzte die Gelegenheit. »Freunde und Gefährten, als Krieger und als Edelmann, sei es auf dem Schlachtfeld oder bei Hofe, unterwerfe ich mich niemandem, der nicht meinen Respekt besitzt; und bei Gott, dieser Respekt muß redlich verdient sein. Ich sage: Herzog Gottfried hat sich meinen höchsten Respekt verdient und den aller Kreuzfahrer. Daher sollte er König werden.«
»Hört! Hört!« riefen die Freunde und Berater des Herzogs. »Es ist Gottes Wille!«
Bischof Arnulf, der Kaplan des Herzogs, schloß sich der Forderung an. »Der Mann, der als erster auf der Mauer war und als erster seinen Fuß in die Heilige Stadt gesetzt hat - sollte nicht dieser Mann auch der Herrscher der Stadt sein? Was sagt Ihr, Gott-fried?«
Der Herzog von Bouillon schaute ernst drein. Er stand auf und blickte mit frommen Augen zum Altar. Nach einem kurzen Augenblick bekreuzigte er sich und wandte sich wieder der Versammlung zu. »Voller Demut höre ich, daß Ihr mich dieser großen Ehre für würdig erachtet. Doch ob man nun mir die Herrschaft über die Stadt zuspricht oder einem anderen, ich glaube, diese edle Versammlung sollte beschließen, daß der Thron von Jerusalem bis zur Rückkehr unseres Herrn Jesus Christus verwaist bleibt. Brüder, es stünde uns gut an, jenen Tag voller Demut und Freude zu erwarten. Bis zur Rückkehr unseres Herrn wäre ich geehrt, diese Stadt für ihn halten zu dürfen, doch kein weltlicher Herrscher sollte sich dort eine goldene Krone aufs Haupt setzen, wo unser Erlöser eine Dornenkrone getragen hat!«
Besorgt über die Geschwindigkeit, mit der ihm die Krone entglitt, stürzte sich Raimund wieder ins Gefecht. »Gut gesagt, mein Freund!« rief er mit lauter Stimme. »Ihr sprecht mir aus der Seele. Gestattet mir daher vorzuschlagen, daß der Herrscher über die Heilige Stadt einen angemessen demütigen Titel annehmen sollte.«
Dieser Vorschlag fand die Zustimmung aller anwesenden Fürsten, die ihr Einverständnis so laut kundtaten, daß sich Raimund ein leichtes, inneres Lächeln über sein Geschick gestattete, mit dem er den Verlauf der Versammlung wieder
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