Der Sohn des Kreuzfahrers
zu seinen Gunsten verändert hatte.
Doch er hatte nicht mit Bohemund gerechnet. »Meine Herren! Meine geschätzten, ehrenhaften Gefährten! Wir haben auf unserer Pilgerfahrt so manche Gefahr gemeistert und sie nun zu einem glücklichen Ende geführt. Jetzt bleibt uns nur noch, einen ehrenhaften Herrscher zu wählen und die Schätze aufzuteilen, die uns Gott in seiner Gnade zum Wohle unserer Männer und zum Schutz der Heiligen Stadt in die Hände gelegt hat.«
Gebannt hingen die Versammelten an Bohemunds Lippen. Was hatte der gerissene Fürst vor?
»Ich spreche nicht für mich selbst«, fuhr Bohemund fort, »sondern für jene, die in dieser Versammlung keine Stimme haben, die aber ebenso viel Schweiß und Blut geopfert haben wie alle hier. Könnten wir in diesem Augenblick ihre Stimmen hören, würden sie uns ohne Zweifel sagen, daß der Herrscher von Jerusalem ein gerechter, weiser und großzügiger Mann sein müsse. Sie würden sagen, daß es die erste Pflicht dieses Herrschers sei, die Beute aufzuteilen. Daher werde ich den Mann, der diese schwere Bürde auf sich nimmt, ohne Vorbehalt unterstützen.«
Der Fürst setzte sich wieder. Er wünschte, Tankred wäre an seiner Seite; mit Unterstützung seines Vetters wäre es ihm leichtgefallen, die Waagschale zu seinen Gunsten zu neigen. Doch auch jetzt besaß er einen Verbündeten, der ebensosehr wie er an einer gerechten Aufteilung der Beute interessiert war: König Magnus. Der Wikingerfürst hatte sich bereits erhoben, noch bevor die Versammelten Bohemunds Worte verarbeiten konnten.
»Meine Herren, Freunde und Waffenbrüder«, begann der König in einfachem Latein. »Viele hier kennen mich nicht, doch wie Ihr, so habe auch ich das Kreuz genommen, und wie Ihr, so habe auch ich mancher Gefahr getrotzt, um das Heilige Land von den Ungläubigen zu befreien. Ich stimme mit Bohemund überein: Wir müssen jemanden wählen, der jene belohnt, deren Blut und Kraft die Eroberung der heiligen Stätten ermöglicht hat - egal ob sie nun auf den Mauern gekämpft haben oder nicht.«
Begleitet von lauten Rufen der Zustimmung nahm Magnus wieder Platz. Sehr zu Raimunds Verdruß gefiel den Edelleuten die offene Art des Barbarenfürsten und seine unverschämte Forderung, den zu spät Gekommenen einen Anteil an der Beute zu gewähren.
»Der Fürst und sein Lehnsmann haben recht, wenn sie uns an die Pflicht erinnern, nicht jene zu vergessen, von denen wir abhängen«, sagte Raimund in dem verzweifelten Versuch, den Schaden an seiner Kampagne zu mindern. »Auch ich sage, wir sollten sie in Ehren halten. Aber ich frage Euch: Wäre es nicht ungerecht gegenüber den Männern, die ihr Blut auf den Mauern vergossen haben, wenn wir sie genauso behandeln würden wie jene, die nicht hier waren und die allein durch ihre Abwesenheit die Last anderer vergrößert haben?«
Noch bevor seine Worte verhallt waren, war Magnus bereits wieder aufgesprungen. »Bitte, mein Herr, ich will nicht despektierlich wirken, aber dort, wo ich herkomme, sind die Menschen simplere Kost gewöhnt. Wollt Ihr damit etwa sagen, Ihr beabsichtigt, Euch nicht mehr an die Abmachung zu halten, die Beute zu gleichen Teilen aufzuteilen? An eine Abmachung, der jeder hier an diesem Tisch zugestimmt hat?«
Alle Augen richteten sich auf Raimund. Die Wangen des Grafen glühten rot vor Zorn und Verzweiflung. Bohemund genoß Raimunds Verunsicherung. In der kurzen Zeit, da er den König von Norwegen kannte, hatte Bohemund zunehmend Gefallen an seinem neuen Vasallen gefunden. Da er selbst nordisches Blut in den Adern hatte, verstand er die Nordmänner und ihre offene, natürliche Art. Von all seinen Söldnern schätzte er ihre Tapferkeit und ihr Können am meisten. Es waren Männer, auf die er sich verlassen konnte, solange es nur etwas zu gewinnen galt - ein Charakterzug, den Bo-hemund von ganzem Herzen guthieß.
So kam es, daß zwei Fragen wie Sturmwolken in der Luft hingen, die jeden Augenblick zusammenstoßen und ihre Blitze gen Boden schleudern konnten.
König Magnus hatte Graf Raimund gezwungen, sich dazu zu äußern, wie er beabsichtige, die Beute aufzuteilen, und gleichzeitig die Versammlung wissen lassen, wie er selbst in dieser Angelegenheit dachte. Raimund wiederum, der die Abmachung ausgesprochen eng deutete, hatte jedermann zu verstehen gegeben, daß er die Beute lediglich unter jenen aufzuteilen gedachte, die vor den Mauern von Jerusalem gekämpft hatten.
Nun war es an dem anderen Bewerber, seine Meinung zu diesem
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