Der Sohn des Kreuzfahrers
Thema zum Ausdruck zu bringen. Bischof Arnulf meldete sich zu Wort. »Verzeiht mir, meine Herren, daß ich spreche, obwohl ich schweigen sollte. Aber da ich vorhin Gottfried von Bouillon meine Unterstützung gewährt habe, würde ich gerne wissen, wie er sich
zu diesen Fragen stellt.«
»Ja! Ja!« riefen die Versammelten. »Was sagt Ihr, Gottfried? Steht auf, Mann!«
Der Herzog von Bouillon erhob sich und lächelte die Edelleute an - auch Raimund, um ihm zu zeigen, daß er ihm nichts nachtrage. »Erneut möchte ich betonen, wie geehrt ich mich fühle, daß Ihr, meine Gefährten, mich für würdig erachtet, die wichtigste Herrschaft der gesamten Christenheit anzutreten. Daher möchte ich Euch versichern, daß ich auch die unschätzbaren Verdienste jener anerkenne, die ohne eigene Schuld zur Befreiung der Heiligen Stadt zu spät gekommen sind. Aus Dankbarkeit für die Einigkeit, die uns in dieser Sache verbunden hat, erachte ich es als nur gerecht, dieselbe Einigkeit auch bei der Verteilung der Beute zu zeigen.«
Er verneigte sich knapp vor dem Bischof und setzte sich wieder. Überall erhoben die Edlen ihre Stimmen als Zeichen der Zustimmung. Jedem der hier Versammelten war mit einem Mal klargeworden, daß Bohemund und Balduin unmöglich von der Entscheidung über den Thron von Jerusalem ausgeschlossen werden konnten. Beide Fürsten hatten deutlich ihre Freude über die rasche Eroberung der Stadt betont und es zutiefst bedauert, nicht rechtzeitig eingetroffen zu sein, um ihre Gefährten dabei zu unterstützen, Jerusalem den Ungläubigen zu entreißen; und natürlich sah keiner von beiden einen Grund, warum sie als anerkannte Führer des Kreuzzugs von der Aufteilung der Beute ausgeschlossen werden sollten.
Stur setzte sich Raimund weiterhin dagegen zur Wehr, den zu spät Gekommenen einen Anteil an der Beute zu gewähren, und er wurde nicht müde zu betonen, daß sie ihn ja auch nicht verdient hätten, da sie an der Eroberung der Stadt nicht beteiligt gewesen seien. Doch sehr zu seiner Überraschung sicherte ihm das keineswegs die Unterstützung der anderen Edelleute. Verglichen mit Gottfrieds Großzügigkeit wirkte Raimund habgierig und selbstsüchtig.
In einem letzten verzweifelten Versuch, die Unterstützung der Unentschlossenen zu gewinnen, schlug Raimund einen Kompromiß vor: Zunächst sollten die Verluste jener ausgeglichen werden, welche die Stadt erobert hatten; dann könne man den Rest der Beute zu gleichen Teilen unter allen Anwesenden verteilen, wie es in Konstantinopel abgemacht worden war.
An jedem anderen Tag hätte man diesen Vorschlag vielleicht als weise Entscheidung eines großen Herrschers betrachtet, doch nun war es bereits zu spät. Aufgestachelt von Gottfrieds Befürwortern waren die Fürsten und Edlen begierig, die Sache zu einem Ende zu bringen, und allein die Vorstellung, um jede Goldmünze feilschen zu müssen, erfüllte sie mit Widerwillen. Raimunds kluger Vorschlag wurde als Herabsetzung von Gottfrieds Großzügigkeit betrachtet.
Balduin, der fühlte, daß der geeignete Augenblick gekommen war, erhob sich inmitten des Lärms der Versammelten, die lautstark ihre Zustimmung zu Gottfrieds Plan bekundeten. »Meine geschätzten Herren und Mitchristen!« rief er und hämmerte mit dem Heft seines Dolches auf den Tisch. »Es freut mich, daß Ihr meinen Bruder so hoch schätzt. Daher empfehle ich Euch, unseren Gefährten und Freund zum Herrscher auszurufen, Herzog Gottfried von Bouillon.« Er ließ seinen Blick über die Versammlung schweifen. »Was sagt Ihr, meine Herren?« Er deutete auf seinen Bruder. »Ich sage: König Gottfried!«
Die Kirche bebte unter dem frenetischen Jubel der versammelten Fürsten. Mit Händen und Dolchen trommelten die Edelleute auf den Tisch, und einige rissen die Schwerter aus den Scheiden und hielten sie in die Luft. Sie jubelten und riefen Gottfrieds Namen, und jene, die ihm am nächsten saßen, standen auf und priesen ihn als König.
Wohlwollend lächelnd wartete Gottfried ab, bis der Lärm abgeebbt war; dann erklärte er: »Euer Lob rührt mich zutiefst, und vor dieser herrschaftlichen Versammlung erkläre ich, daß ich die Aufgabe auf mich nehmen werde, die Ihr mir angetragen habt, und mit Gottes Hilfe und unter seiner Führung werde ich sie nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen.«
Erneut brandete Jubel auf. »Gott will es!« schrien sie. »Gottfried
ist König! Gott will es!«
Als der Lärm ein weiteres Mal verhallte, sagte der neue Herrscher von
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