Der Sohn des Kreuzfahrers
Murdo«, bot ihm Skuli erneut an. »Balduin wird dich in seinen Kriegshaufen aufnehmen. Schon bald werden wir alle unsere eigenen Ländereien besitzen, und dich werden wir zu einem Herzog machen.«
»Ich will nichts von euch«, antwortete Murdo. Enttäuschung und Bedauern lagen in seiner Stimme. »Lebt wohl.« Die Worte ließen ihn zögern, dann fuhr er fort: »Brüder... wir werden uns nie wiedersehen.« An Emlyn gewandt sagte er: »Wir haben getan, was zu tun wir hierhergekommen sind. Jetzt laß uns wieder gehen.«
Er kehrte seinen Brüdern den Rücken zu und machte sich auf den Weg den Berg hinab.
»Murdo!« rief ihm Skuli flehend hinterher. »Verbringe wenigstens diese Nacht mit uns. Wir werden reden, und morgen früh wirst du die Dinge anders sehen.«
Als Murdo nicht antwortete, stand Skuli auf und eilte ihm hinterher. »Warte! Hör mir zu! Murdo, warte!«
»Laß ihn gehen, Skuli«, sagte Torf. »Er war schon immer ein kleiner Feigling.« Und Murdo rief er zu: »Hau nur ab, du kleiner Feigling! Lauf nach Hause zu Mutter, wie du es immer getan hast!«
Die Worte waren verachtungswürdig; einst hätten sie sicherlich geschmerzt, doch nun bewirkten sie gar nichts. Murdo empfand nur Mitleid für den Mann, der sie gesprochen hatte.
Emlyn ging neben ihm, sagte aber nichts. Schweigend stiegen sie ins Tal hinab, wo sie wieder auf die Straße einbogen. Schwarz und beeindruckend ragte Jerusalems Stadtmauer über ihnen auf, und obwohl der Mond inzwischen verblaßt war, leuchtete der Himmel im Licht der Sterne.
»Das ist ja nicht sonderlich gut gelaufen«, bemerkte der Mönch, nachdem sie sich wieder auf den Weg um die Südmauer herum gemacht hatten.
»Nein«, bestätigte Murdo, »es ist nicht gut gelaufen.«
»Was wirst du jetzt tun?«
»Ich werde tun, was ich gesagt habe.«
»Nach Hause zurückkehren und deinen Hof zurückfordern?«
»Ja.«
»Du hast gesagt, der Mann, der jetzt über eure Güter herrscht, befindet sich in Jerusalem«, bemerkte Emlyn. »Stimmt das?«
»Das stimmt«, murmelte Murdo. Nachdem er gerade erst seine Brüder an die Habgier verloren hatte, war er nicht in der Stimmung, sich über die Einzelheiten seines Grolls zu unterhalten.
»Wer ist es?« erkundigte sich der Mönch.
»Was hat das für eine Bedeutung?« schnappte Murdo.
»Das weiß Gott allein«, erwiderte Emlyn in freundlichem Tonfall. »Ich habe mir nur gedacht, wenn ich mehr über diese Angelegenheit wüßte, könnte ich dir vielleicht helfen.«
»Niemand kann mir helfen«, erklärte Murdo. »Das ist einzig und allein meine Sache.«
Emlyn verzichtete auf weitere Fragen, und abermals schweigend setzten sie ihren Weg fort - was Murdo bei weitem vorzog. Als sie schließlich das Jaffa-Tor erreichten, hatte er beschlossen, den Treueid auflösen zu lassen, den er König Magnus gegenüber geleistet hatte, denn es sollte kein böses Blut zwischen ihm und dem König herrschen. Falls nötig, wollte er sich sogar freikaufen. Dann würde er in das Kloster auf dem Berg Zion zurückkehren, den Schatz holen und nach Jaffa eilen, wo er sich auf dem erstbesten Schiff eine Passage besorgen würde, welches das Heilige Land Richtung Westen verließ.
Was er tun würde, wenn er wieder auf Orkneyjar war? Das wußte er noch nicht. Doch an Bord des Schiffes würde er genug Zeit haben, darüber nachzudenken, und er war sicher, daß er eine Antwort finden würde, lange bevor sie die nebelverhangenen Hügel von Orkneyjar erreichen würden.
ie Herren des Westens trafen sich am nächsten Tag in der Grabeskirche, um Rat zu halten. Dort, in der kleinen Kirche, die über dem Felsengrab errichtet worden war, wo man Jesus nach seiner Hinrichtung durch die Römer bestattet hatte, trafen sich die Führer des Kreuzzugs, um zu entscheiden, wer die Stadt für die Christenheit beschützen und halten sollte.
Mehrere große Tische waren vor dem Altar der Kirche aneinander gestellt worden, so daß sie eine einzige lange Tafel bildeten, an der die Kreuzfahrerfürsten und ihr Gefolge Platz nehmen konnten. Die Kirche war nicht groß; an der Tafel gab es nur Platz für etwa sechzig Mann, so daß die übrigen zweihundert hinter ihren jeweiligen Fürsten stehen mußten. Neugierige füllten das Vestibül, und im Hof hatten sich weitere Menschen versammelt, die allesamt angestrengt darauf lauschten, was im Innern der Kirche gesprochen wurde.
Raimund von Toulouse, begleitet von seinem Kaplan, dem Abt von Aguilers, Graf Robert von Flandern und verschiedene andere
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