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Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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weiteren Schluck und sagte: »Dann gib die Herrschaft doch an jemand anderen. Gib sie an Bohemund, oder besser noch: Gib sie an Sultan Arslan. Ha!«
    Gottfried starrte seinen jüngeren Bruder an. »Du bist ein Arsch, Balduin - schlimmer noch: Du bist ein betrunkener Arsch. Wenn das das Beste ist, was dir einfällt, dann geh wieder nach Edessa. Ich werde mich der Demütigung alleine stellen.«
    »Jetzt hör aber mal zu.« Balduin versuchte aufzustehen, doch er mußte feststellen, daß seine Beine bei weitem nicht mehr so standfest waren, wie er gedacht hatte. »Ich habe nur versucht, dir zu helfen. Wenn du das nicht begreifst, dann hast du diese Demümü ... diese De-mü-ti-gung verdient.« Er rief nach dem Diener, der in der Nähe stand. »Wein, du Faulpelz! Mehr Wein!«
    »Du hast schon genug gehabt, Bruder«, sagte Gottfried, stellte seinen Becher ab und stand auf. »Ich gehe zu Bett. Du solltest das gleiche tun.«
    »Großartig«, murmelte Balduin. »Der Kaiser klatscht in die Hände, und du schreist >Donner!<. Nun, wenn ich an deiner Stelle wäre, dann würde ich das Ding von hier wegschaffen. Soll Alexios sie sich doch von jemand anderem holen.«
    Gottfried wünschte seinem volltrunkenen Bruder und den anderen anwesenden Edelleuten eine gute Nacht, überließ sie dem Wein und ging in sein Schlafgemach. Nachdem er seinen Leibdiener entlassen hatte, legte er sich ins Bett, doch er fand keine Ruhe. Also stand er wieder auf, ging zum Fenster und öffnete es, um etwas frische Luft hereinzulassen. Er blickte hinaus: Über den Olivenhainen war eben der Mond aufgegangen, und die Jaffa-Straße wand sich wie ein silberner Fluß auf die Stadt zu, während man im Norden die Lager der Kreuzfahrer als große schwarze Flächen erkennen konnte. In wenigen Tagen würden die Pilger verschwunden sein, und ihre Lager wären nur noch eine weitere abscheuliche Erinnerung in der langen, turbulenten Geschichte dieser alten Stadt.
    Du Narr, dachte Gottfried. War er soweit gekommen, hatte er soviel riskiert, nur um am Ende zu einer Zielscheibe des Spotts zu werden? Die Last seines Versagens drückte ihn nieder, und so kniete er sich vor das Fenster und begann zu beten. Lange Zeit verharrte er in dieser Stellung, und als er sich schließlich wieder erhob, war ihm leichter ums Herz geworden. Er würde die Schande als ihm von Gott auferlegte Buße für die Fehler ertragen, die er auf der Pilgerfahrt begangen hatte.
    Mit diesem Gedanken im Kopf legte er sich erneut aufs Bett. Die Nacht war schon weit fortgeschritten, als ihn die Müdigkeit schließlich übermannte, und auch dann war es nur ein leichter, unruhiger Schlaf. Er erwachte vom Krächzen der Krähen auf den Dächern unter seinem offenen Fenster, und Balduins letzte Worte aus der vergangenen Nacht fielen ihm wieder ein: Soll Alexios sie sich doch von jemand anderem holen!
    Zum erstenmal seit dem katastrophalen Ausgang der Versammlung in der Grabeskirche sah Gottfried einen Hoffnungsschimmer am Horizont: Wenn er die heilige Lanze schon aufgeben mußte, dann sollte zumindest ein anderer sie bewahren als der Kaiser. Aber wer?
    Die Antwort hallte durch Gottfrieds Geist mit der Macht eines Schlachtrufs. Er spürte eine Erregung in seinem Blut wie sonst nur auf dem Schlachtfeld. In einem einzigen winzigen Augenblick hatte der vollständige Plan in ihm Gestalt angenommen. Jeder Hauch eines Zweifels war von einer Sekunde auf die andere wie weggefegt: Es gab nur einen Mann auf der ganzen weiten Welt, der in der Lage war, sich der Forderung des Kaisers zu widersetzen. Wenn irgend jemand die heilige Lanze für die Kreuzfahrer aufbewahren konnte, dann Papst Urban. Sollte Alexios doch den Papst um die heilige Lanze bitten!
    Gottfried sprang aus dem Bett, wie ein Löwe, der zum Angriff übergeht. Sein Kopf war voll mit Dingen, die es nun zu erledigen galt. Zuallererst mußte er den Gesandten hinhalten. Er brauchte Zeit, wenn sein Plan auch nur die geringste Aussicht auf Erfolg haben sollte.
    Gottfried stürmte aus dem Schlafgemach und rief: »Balduin! Wo ist mein Bruder?« Er packte den im Vorraum schlafenden Diener an den Schultern und schüttelte ihn. »Such meinen Bruder, und bring ihn zu mir! Ich will ihn sofort sehen!« Dann eilte er in die Palastkapelle, um seine Morgengebete zu verrichten. Anschließend würde er sofort nach dem Abt schicken und seinen Plan in die Tat umsetzen.
    M:

    urdo und Emlyn hatten eine kurze Nacht neben der Straße verbracht, ohne zu schlafen. Noch vor Sonnenaufgang

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