Der Sohn des Kreuzfahrers
können; es hätten sechs oder sechzehn sein können, Murdo wußte es nicht.
»Hilf mir!« rief Murdo seinem Freund zu und zog erneut am Halfter. Emlyn eilte zur Korntasche und steckte beide Hände hinein. Dann hielt er das Korn dem Kamel unter die Nase, und tatsächlich gelang es ihm, das Tier dazu zu bewegen, einige Schritte vorwärts zu gehen. Doch die Gelegenheit war vorüber. Die Reiter waren schon viel zu nahe herangekommen.
Es waren weder sechs noch sechzehn - es waren mehr als sechzig -, und es handelte sich auch weder um Kreuzfahrer noch um
Unsterbliche. Murdo bemerkte die weißen Turbane auf den Köpfen der Reiter und verzweifelte. »Türken!«
Der Felshaufen war weniger als ein paar Dutzend Schritt entfernt, aber es war zu spät. Denn obwohl Murdo und Emlyn ihn noch rechtzeitig hätten erreichen können; das faule Tier bewegte sich keinen Schritt von der Stelle.
»Laß es!« sagte Emlyn.
»Nein!« schrie Murdo trotzig. »Sie werden mich schon töten müssen, wenn sie den Schatz haben wollen.«
»Genau das werden sie auch tun und noch dazu, ohne vorher darüber nachzudenken.« Der Mönch zerrte an Murdos Arm. »Komm weg von hier, Murdo.«
»Nein!« Murdo ging um das Kamel herum und griff nach dem Schwert seines Vaters. »Versteck dich hinter den Felsen. Ich werde sie aufhalten und.«
»Murdo, hör auf damit!« brüllte Emlyn. In seiner Stimme lag eine Kraft und Entschlossenheit, wie Murdo sie noch nie zuvor bei dem Mönch gehört hatte. »Denk nach! Das ist es nicht wert, mein Sohn.«
»Es ist mein Leben!« fauchte Murdo. »Du weißt nicht, was dieser Schatz für mich bedeutet.« Er zog das Schwert und nahm den Schild vom Sattelknopf.
Emlyn trat neben ihn und packte ihn mit hartem Griff am Arm. »Nein, Murdo«, sagte er in bestimmtem Tonfall. »Glaub ja nicht, daß du sie besiegen könntest. Steck das Schwert wieder weg.«
»Es ist unser einziger Schutz«, widersprach Murdo und legte den Schwertgürtel an.
»Hör mir jetzt genau zu. Wir haben nicht viel Zeit. Ich kann dich beschützen«, sagte der Mönch. »Ich kann uns beide beschützen, aber nur, wenn keine Waffen im Spiel sind.«
Emlyn sprach mit einem Selbstvertrauen, das Murdos Entschluß ins Wanken brachte. Er wog das Schwert in der Hand und spürte sein beruhigendes Gewicht. Dann blickte er zu den heranstürmenden Türken. Es waren inzwischen bereits weit mehr als hundert, und noch immer erschienen weitere auf der Hügelkuppe.
»Du hast mir in vielen kleinen Dingen bereits vertraut. Wirst du mir auch jetzt vertrauen?« fragte Emlyn. »Wirst du tun, worum ich dich bitte?«
Den Blick noch immer auf den herannahenden Feind gerichtet dachte Murdo, daß er im günstigsten Falle, drei-, viermal würde zuschlagen können, bevor ihn die Türken mit ihren Lanzen niederstrecken würden.
»Was muß ich tun?« fragte Murdo.
»Stell dich neben mich«, antwortete Emlyn, »und halte dich an meinem Umhang fest.«
Obwohl dies für ihn keinen Sinn ergab, tat Murdo, wie ihm geheißen. »Und jetzt gib mir dein Schwert«, befahl der Mönch.
Murdo zögerte.
»Hast du nicht gehört, Murdo? Wir brauchen es nicht. Du mußt mir jetzt vertrauen.«
Emlyn ergriff das Schwert mit beiden Händen, schloß die Augen und sprach ein paar Worte, die wie ein Gebet klangen; dann begann er mit der Schwertspitze einen Kreis in die ausgetrocknete Erde zu zeichnen. Murdo beobachtete, wie die Türken heranstürmten. Der Mönch schloß den Kreis, der nun ihn und Murdo umschloß; schließlich hob er den Arm und warf das Schwert in hohem Bogen weg. Die Waffe drehte sich einmal um die eigene Achse und landete mit einem dumpfen Knall ein Dutzend Schritte entfernt im Staub.
»Was tust du? Sie sind fast da!« beschwerte sich Murdo. Er konnte die Furcht in seiner Stimme nicht länger verbergen.
»Das ist ein caim«, erklärte der Mönch, »ein mächtiges Symbol.«
»Ein Symbol!« Murdo kreischte beinahe. Er hätte es besser wissen müssen, als einem Priester zu vertrauen. Warum hatte er Em-lyn nur das Schwert gegeben?
»Es stellt die alles umfassende Gegenwart und die schützende Hand Gottes dar. Jetzt laß nur nicht meinen Umhang los, und tritt nicht aus dem Kreis. Hast du das verstanden?«
Murdo nickte.
»Unser Herr Jesus Christus hat gesagt: >Wo auch immer zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter ih-nen.<« Emlyn schloß die Augen und hob die Hände mit den Handtellern nach oben und begann zu singen.
Die Seldschuken hatten sie nun fast
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