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Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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Hrafnbu. Die Decke war hoch und offen, und eiserne Leuchter hingen von den Dachbalken herab. Der Kamin allein nahm die gesamte gegenüberliegende Wand ein, und er ruhte auf einem einzigen großen Felsblock. Drei weitere große Blöcke bildeten die Öffnung, was dem Kamin das Aussehen einer Höhle verlieh. Der Sturz bestand aus einer hübschen, graugrünen Schieferplatte, die glattgeschliffen und mit alten keltischen Ornamenten verziert war.
    Zwei lange schwarze Speisetafeln, nebeneinander aufgestellt, durchmaßen fast die gesamte Halle und endeten vor einer dritten, kleineren unmittelbar vor dem Kamin. Die beiden langen Tische hatten Bänke zu beiden Seiten, doch der kurze nur auf der dem Kamin zugewandten Seite. Eisenleuchter standen an den Wänden und überall im Raum verstreut. Der Boden war mit frischem Stroh eingestreut, was dem Raum den Duft eines gerade erst abgeernteten Feldes verlieh.
    »Die Halle wird für das Fest vorbereitet«, sagte eine sanfte Stimme hinter Murdo.
    Murdo drehte sich rasch um. »Ragna, ich.«
    Es war jedoch nicht Ragna, die da vor ihm stand, sondern eine der Zofen: Das Mädchen war schlank, dunkelhäutig, und sie hatte ihr Haar mit einem weißen Stoffband zurückgebunden. Sie trug ein Tablett mit einem Laib Brot und einer Schüssel Salz. »Heute abend werdet Ihr in der Kammer der Herrin speisen«, erklärte die Zofe fröhlich.
    »Ich verstehe«, erwiderte Murdo.
    Die beiden standen sich eine Zeitlang schweigend gegenüber und musterten einander. Murdo, der solche Blicke von weiblichen Dienerinnen nicht gewöhnt war, trat unruhig von einem Fuß auf den anderen.
    »Ihr seid Murdo?« fragte die Zofe.
    »Ja.«
    »Man nennt mich Tailtiu«, sagte sie. »Ich diene Jungfer Ragna und meine Mutter Frau Ragnhild - zumindest tat sie das, bis sie vor zwei Jahren gestorben ist. Eines Tages wird Jungfer Ragna die Herrin sein, und ich werde ihr dienen, wie meine Mutter Frau Ragnhild gedient hat, versteht Ihr?«
    »Ja«, antwortete Murdo und fügte trotz der Angst, sich zu wiederholen, hinzu: »Ich verstehe.«
    »Ihr seid aus Dyrness«, fuhr die Zofe unbekümmert fort, »und Euer Vater gehört zu Jarl Erlends Edlen - genau wie Herr Brusi.«
    »Das stimmt.«
    »Herr Brusi und seine Söhne sind mit Eurem Vater und Euren Brüdern auf Pilgerfahrt ins Heilige Land gezogen«, sagte Tailtiu, die inzwischen offenbar Gefallen an dem Gespräch fand. »Euch hat man nicht erlaubt zu gehen, weil Ihr noch zu jung seid.«
    »Ich bin jetzt sechzehn Sommer alt«, verkündete Murdo hochmütig. Er starrte die unverschämte Kreatur an und fragte sich, woher sie ihre Informationen bezog, und ob er sie fortschicken sollte. Aber sie unterstand nicht seinem Befehl, und so blieb er standhaft und hoffte, daß seine grimmige Miene sie irgendwann vertreiben würde.
    »Jungfer Ragna ist sehr gut zu mir«, fuhr Tailtiu fort. »Sie ist auch sehr schön und hat mir schon viele Geschenke gemacht, denn ich bin ihre Zofe.«
    »Das sagtest du bereits«, entgegnete Murdo.
    »Ihr mögt keine Dänen«, bemerkte das Mädchen.
    »Mein Vater stammt von Sigurd dem Standhaften ab«, erklärte Mur-do, »und die Familie meiner Mutter ist blutsverwandt mit König Malcolm von Schottland.«
    »Mein Vater war auch Däne«, konterte das Mädchen, als wäre der berühmte Sigurd nicht mehr als ein einfacher Tagelöhner. »Meine Mutter stammt aus Irland. Man hat sie als ganz kleines Mädchen hierhergebracht, als sie nicht größer als eine Grille war - jedenfalls hat sie das immer gesagt. Eines Tages werde ich auch nach Irland gehen. Man sagt, es sei ein sehr schönes Land - eine Insel, viel größer als ganz Orkneyjar.« »Das sagt man sich«, stimmte ihr Murdo müde zu.
    In diesem Augenblick hörten sie Schritte im Vorraum, und als sie sich umdrehten, sahen sie Ragna näher kommen. »Da bist du ja, Tailtiu«, schimpfte sie. »Ich bin sicher, Herr Murdo hat Besseres zu tun, als sich den ganzen Abend dein Geplapper anzuhören.«
    »Jawohl, Jungfer Ragna«, sagte Tailtiu. Sie wirkte nicht im geringsten eingeschüchtert.
    »Ich nehme das«, sagte Ragna und griff nach dem Tablett. »Du kannst in die Küche zurückgehen.«
    Ragna nahm das Tablett, und die Dienerin verschwand, allerdings nicht, ohne Murdo noch einen schelmischen Blick zuzuwerfen. »Die Kammer ist bereitet«, informierte ihn Ragna und bewegte sich Richtung Tür. »Du kannst kommen, wann immer du willst.«
    »Danke«, erwiderte Murdo und folgte ihr.
    Ragna drehte sich auf der Schwelle um und

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