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Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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mit Ocker vermischt hatte, um dem weißen Pulver etwas Farbe zu verleihen, und ein Teppich aus Webwolle bedeckte den glatten Holzfußboden. Eine Ecke des Raums war mit einem Eichenschirm abgetrennt worden, und ein kleiner Stickteppich hing an der Wand. Ragnhild, die ein rosarotes Kleid und einen Umhang von derselben Farbe trug, saß auf einem Stuhl neben dem Fenster, das sie geöffnet hatte, um die letzten Strahlen der untergehenden Sonne hereinzulassen. Obwohl der Tag angenehm warm für die Jahreszeit gewesen war, brannte in einem Becken ein kleines Kohlefeuer, um die Kälte zu vertreiben, die mit der Nacht heraufzog. Frau Ragnhild blickte von dem kleinen Buch auf, das sie gerade las, und lächelte, als ihre Gäste den Raum betraten. Sie schloß das Buch, legte es auf den Fenstersims und breitete die Arme aus, um ihre alte Freundin willkommen zu heißen.
    Die beiden Frauen küßten und umarmten sich mit einer Herzlichkeit, die Murdo verlegen zusammenzucken ließ. Doch Ragna, die Tablett und Becher auf einen Tisch in der Nähe gestellt hatte, lächelte beim Anblick der beiden Freundinnen mit offensichtlicher Freude.
    »Nia«, sagte Ragnhild, »es ist so schön, dich zu sehen. Ich hoffe, deine Reise war nicht zu anstrengend.«
    »O Ragni, Ragni, meine liebe Freundin«, erwiderte Murdos Mutter - Murdo war überrascht, daß sie so vertraut miteinander umgingen. »Es ist wirklich schön, hierzusein. Ich habe mich schon die ganze Zeit darauf gefreut, daß wir diese Tage gemeinsam verbringen werden, und nun, da ich hier bin, freue ich mich noch um so mehr.«
    Erneut umarmten sie sich, und Murdo wandte die Augen ab. Als er sich wieder umdrehte, blickte Frau Ragnhild zu ihm herüber. »Und wer ist dieser hübsche junge Mann?« fragte sie, als wüßte sie nicht, wer ihre Freundin begleitete. »Das kann doch unmöglich der junge Murdo sein! Aber er ist es wirklich!«
    Sie trat vor ihn und streckte die Hand aus. Murdo verbeugte sich höflich und küßte ihr die Hand.
    »Murdo, sei gegrüßt und willkommen. Es ist schön, daß du deiner Mutter und mir erlaubt hast, daß wir uns wiedersehen.« Sie sprach, als wäre er der Herr, von dessen Entscheidung der Lauf des Festes abhing, und obwohl dies nur der Höflichkeit entsprach, mußte Mur-do sich eingestehen, daß ihm das gefiel.
    »Herrin, die Freude ist ganz auf meiner Seite«, erwiderte er galant.
    Frau Ragnhild machte sich daraufhin noch mehr beliebt, indem sie sagte: »Da du der einzige Mann unter uns bist, wirst du für die Dauer eures Aufenthalts auf dem Platz des Herrn sitzen.«
    Der einzige Mann, dachte Murdo. Das war ihm bis jetzt noch gar nicht aufgefallen.
    »Ich hoffe, du wirst dich bei unserem weiblichen Geschnatter nicht allzu schnell langweilen. Ich habe meine Tochter angewiesen, alles zu tun, um dir den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten.«
    Obwohl Murdo seinen rechten Arm dafür gegeben hätte, in diesem Augenblick Ragnas Gesicht zu sehen, wagte er es nicht, den Blick von Frau Ragnhild abzuwenden. Statt dessen zwang er sich, der Herrin von Hrolfsey unverwandt in die Augen zu blicken und ihr auf eine Art zu antworten, von der er hoffte, sie dadurch für sich gewinnen zu können. »Ihr seid sehr zuvorkommend, Herrin. Aber ich bitte Euch: Sorgt Euch nicht um mich. Ich bin sicher, daß ich Eure Gesellschaft als ausgesprochen angenehm empfinden werde«, sagte er und glaubte, sich gut geschlagen zu haben.
    Die Frau von Cnoc Carrach lächelte ihm freundlich zu und wandte sich wieder an seine Mutter. »Ich weiß, daß ihr einen langen Tag hinter euch habt und daß ihr sicherlich müde von der Reise seid. Deshalb werden wir nicht mit euch zu Abend speisen. Statt dessen werden wir euch gestatten, allein zu essen, damit ihr euch ausruhen und wieder erholen könnt.«
    Murdo verzweifelte. Nachdem er so lange darauf gewartet hatte hierherzukommen, war allein der Gedanke unerträglich, noch eine weitere Nacht ohne Ragnas Gesellschaft auskommen zu müssen. Verzweifelt suchte er in Gedanken nach einem Ausweg aus dieser Katastrophe, doch sein aufgewühlter Geist verweigerte ihm den Dienst.
    Es war seine Mutter, die ihm den Tag rettete.
    »Wie freundlich von dir, Ragni«, begann sie geschickt, »und wie rücksichtsvoll. Aber wir betrachten eure Gesellschaft als erholsamer als alles andere.« Mit einem leichten Nicken deutete sie auf Mur-do. »Wenn mein Sohn nichts anderes vorzieht, würden wir uns freuen, heute abend mit euch speisen zu dürfen.«
    »Aber

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