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Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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verfluchte Schule zurückzukehren.
    Es war meine Großmutter, die mich in meiner kindlichen Not tröstete. »Ruhig, mein Jungchen«, pflegte sie immer zu sagen. »Alles wird wieder gut, wenn Gott will.« Sie hatte natürlich recht. Ich beendete die Schule und graduierte in St. Andrews nach einem Doppelstudium der Geschichte und der klassischen Literatur.
    Da ich eine gewisse professionelle Faulheit der täglichen Routine eines hart arbeitenden Wollieferanten vorzog, wie es mein Vater war - und womit er es zu einem nicht unbeträchtlichen Wohlstand gebracht hatte -, unterschrieb ich rasch einen Kontrakt bei einem von Edinburghs angesehensten Anwälten. Daraufhin beschäftigte ich mich tagaus, tagein mit der freundlichen, doch langweiligen Arbeit, Verträge, Gutachten, Entwürfe und Gerichtsurteile für meine Vorgesetzten zu kopieren - eine wahre Plackerei. Nach ein paar Wochen in diesem Beruf, begann ich zu vermuten, daß das Leben, zu dem ich mich entschlossen hatte, doch nicht so ganz meinen Vorstellungen entsprach. Ich begann zu trinken - allerdings nur mäßig und nur in Gesellschaft meinesgleichen - und vergeudete meine Abende mit langen, sinnlosen Gesprächen, billigem Whisky und noch billigeren Zigarren in einem von Auld Reekie's vielen guten Pubs - was meinen lieben alten Vater zutiefst entsetzt hätte.
    Doch ich war jung, ungebunden und voller Tatendrang. Meine Bedürfnisse waren einfach und leicht zu erfüllen. Einer meiner Schreiberkollegen und Mittrinker war, wie sich bald herausstellte, ein eingefleischter Wandersmann, dem es nichts ausmachte, mit nur einem Stock in der Hand und einem halben Sixpence in der Tasche über unbekannte Straßen zu dem ein oder anderen fernen Ziel zu marschieren. Er war ein wahrer >Sohn des Farns< und rühmte sich des Namens Alisdair Angus McTavot. Ein hervorragender Kamerad, dieser Angus - den Namen Alisdair verabscheute er und bestand darauf, daß man ihn in seiner Gegenwart nicht benutzte. Angus McTa-vot besaß einen ansteckenden Enthusiasmus, und schon bald fand ich mich an den Wochenenden und während des wenigen Urlaubs auf den feuchten Straßen wieder und zog mit ihm von Ort zu Ort.
    Vor so manchem Sturm haben wir in Kuhställen Schutz gesucht und darauf gewartet, daß der Regen nachlassen würde, und dabei ergab es sich, daß wir viel über unsere Familien gesprochen haben. Es stellte sich heraus, daß der McTavot-Clan Verbindungen zum längst vergessenen schottischen Adel besaß. Sein Vater war ein Baronet, was auch immer das besagen mag, und obwohl ein solcher Titel nicht länger Garantie für beachtliche Pfründe war, konnte man ihm immer noch ein Quentchen Prestige entnehmen. Wenn schon nichts anderes, so hatte Angus seinem adeligen Erbe zumindest eine gewisse Neigung zu Pomp und obskuren Traditionen zu verdanken. Häufig verwendete er altmodische Redeformen, und er besaß eine Schwäche für keltische Geschichte, besonders wenn sie mit seinem primitiven Adel in Verbindung stand.
    Es war Angus, der mich in den Alten und Ehrenvollen Orden des Hochlandhirschen einführte - anderen als gewöhnlicher Gentlemen-Klub geläufig. In seiner Blütezeit besaß der Alte Hirsch, wie er liebevoll von den Eingeweihten genannt wurde, so illustre Mitglieder wie Cameron Brodie und Arthur Pitcairn Grant und zählte auch so berüchtigte Briganten wie Drummond >Black< Douglas und Richter Buchanan zu den Seinen. Sir Walter Scott war Ehrenmitglied des Alten Hirschen, ebenso wie Kapitän Lawrie, der seinen Ruhm bei der Krakatau-Katastrophe begründet hatte. Obwohl noch immer sehr respektabel, hatte der Klub in den vergangenen Jahren an Glanz verloren und zog nicht mehr in gleichem Maße die Blaublüter und Patrizier an wie noch zu seiner Blütezeit - was, wie ich vermute, auch der Grund dafür war, warum man Angus und mich aufgenommen hat. Einige unserer Juristenbrüder waren ebenfalls Mitglied dort, und einem Klub anzugehören wurde allgemein als karrierefördernd betrachtet.
    Im Alten Hirsch fand ich eine Zuflucht vor dem vergeudeten Leben eines Rauchers und Trinkers. Es war weitaus leichter, die Einladung zu einer Freitagabend-Sauferei mit den Worten abzulehnen: »Ich würde ja gerne, Jungs, aber ich muß in den Klub. Tut mir leid.«
    So kam es, daß ich an einem verregneten Freitagabend allein im Rauchersalon des Klubs saß. Es war kurz nach acht, und die meisten anderen Mitglieder waren bei meiner Ankunft bereits zum Dinner gegangen, also hatte ich den Klub sozusagen ganz für mich

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