Der Sohn des Kreuzfahrers
allein. Ich genoß gerade einen frühreifen Malt, während ich auf den verspäteten Angus wartete, als ein großer, distinguiert wirkender Herr in einem schlichten, doch teuren Anzug sich in den Ledersessel mir gegenüber setzte. Er trug eine Zeitung bei sich, doch diese legte er gefaltet auf seinen Schoß, während er mich oberflächlich musterte.
Ich nahm an, daß er darauf wartete, daß ich mich vorstellte - das war etwas, was man üblicherweise von jüngeren Mitgliedern erwartete, um älteren Gelegenheit zu geben, den Neuling zu begutachten, bevor dieser offiziell eingeführt wurde. Aber bevor ich meinen Namen nennen konnte, sagte der Mann: »Bitte, entschuldigen Sie. Ich will Sie nicht stören. Aber sind Sie nicht der Freund des jungen McTa-vot?«
»Genau«, erwiderte ich. »Ich warte gerade auf ihn.«
»Ja«, sagte der Fremde, »er wird noch ein paar Minuten aufgehalten werden. Ich dachte, wir könnten vielleicht die Gelegenheit nutzen und uns ein wenig unterhalten.«
Das erregte meine Neugier, wie ich gestehen muß.
»Erlauben Sie«, sagte der Mann und bot mir eine Zigarre aus einem goldenen Zigarrenetui an.
Ich wählte eine der Panatelas des Fremden, dankte ihm und lehnte mich zurück.
»Ich vermute, sie kennen Angus, nicht wahr?« fragte ich und versuchte, so nonchalant wie möglich zu klingen.
»Ich kenne seinen Vater«, antwortete der Mann. »Ihren Vater kannte ich übrigens auch. Ein feiner, aufrechter Mann. Ich habe ihn sehr bewundert.« Er entzündete ein Streichholz, um es an seine Zigarre zu halten. »Ich muß Ihnen gestehen, daß ich ihn sehr vermisse.«
»Ich bitte um Verzeihung, Sir«, sagte ich, »aber ich glaube, Sie verwechseln mich mit jemandem. Sie müssen wissen, daß mein Vater noch immer lebt - jedenfalls war es noch so, als ich zum letztenmal bei ihm gewesen bin.«
Der Mann erstarrte; das Streichholz verharrte mitten in der Luft. Seine scharfen grauen Augen musterten mich von Kopf bis Fuß. »Bei Gott! William Murray lebt immer noch! Ich war doch auf seiner Beerdigung ... oder zumindest habe ich das geglaubt.«
Der Fehler wurde offenbar. »William war mein Großvater«, erklärte
ich. »Mein Vater heißt Thomas.«
Der Mann sackte in seinen Sessel zurück, als hätte ihm jemand ins Gesicht geschlagen. Er löschte das Streichholz und starrte mich verwirrt und forschend an.
»Oh, das tut mir wirklich leid«, sagte er, nachdem er wieder zu sich gekommen war. »Ich scheine ein wenig durcheinander zu sein. Sie sind sein Enkel. Natürlich! Natürlich sind Sie das. Bitte, verzeihen Sie mir. Ich fürchte, das ist die Last des Alters. Ich kann von Glück reden, wenn ich mich daran erinnere, in welchem Jahrhundert ich mich befinde, geschweige denn in welchem Jahr.«
»Ich bitte Sie, Sir«, erwiderte ich. »Das passiert mir ständig.«
Er entzündete ein weiteres Streichholz, hielt es an seine Zigarre und rauchte nachdenklich. »Thomas. Ja, natürlich«, murmelte er zu sich selbst. »Wie dumm von mir.« Er reichte mir die Streichholzschachtel.
»Dann haben Sie also meinen Großvater gekannt.« Ich nahm ein Streichholz, entzündete es und beschäftigte mich mit Rauchen, um dem Fremden Gelegenheit zu geben, etwas darauf zu erwidern.
»Nicht halb so gut, wie ich gewollt hätte«, antwortete er schließlich. »Ich habe ihn ein- oder zweimal bei geschäftlichen und gesellschaftlichen Anlässen gesehen. William war der Freund eines Freundes, verstehen Sie?« Er hielt kurz inne, nahm einen kräftigen Zug von seiner Zigarre und fügte hinzu: »McTavot war mehr in meinem Gesichtskreis.«
»Ich verstehe.« Wir sprachen über die McTavots, und er fragte mich, wie Alisdair und ich uns kennengelernt hatten. Ich erklärte ihm, daß wir in derselben Anwaltskanzlei arbeiteten und daß Angus mich unter seine Fittiche genommen und mir Edinburgh gezeigt habe. »Wäre er nicht gewesen, hätte ich vermutlich nie vom Alten Hirsch gehört«, schloß ich meinen Bericht.
»Das ist wohl auch die beste Art, irgendwo eingeführt zu werden«, erwiderte der Gentleman freundlich. »Als Freunde von Freunden.«
In diesem Augenblick erschien Angus. Er war vollkommen durchnäßt, und als er sich ausschüttelte, verteilte er Regentropfen über die teuren Lederpolster. »Es tut mir wirklich schrecklich leid«, entschuldigte er sich. »Eine halbe Stunde lang habe ich versucht, eine Droschke zu bekommen. Offenbar rennen alle Kutscher in Deckung, sobald sich auch nur ein paar Regenwolken am Himmel zeigen. Ich bin durch
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