Der Sohn des Kreuzfahrers
Gottes Hilfe erreichen wollten.
Ihre Füße steckten in schweren Lederstiefeln oder Schuhen im alten römischen Stil mit harten Sohlen und dicken Schnürbändern, die fast bis zum Knie hinaufreichten. Zumindest darin zeigten sie ein wenig Weisheit: Der Boden des Heiligen Landes war hart und trocken, mehr Stein als Erde, und ein Soldat, der nicht gehen oder laufen konnte, konnte auch nicht kämpfen. Zu viele gute Männer waren schon gestorben, weil ihr Schuhwerk den Marsch nicht ausgehalten hatte, geschweige denn die Schlacht, sinnierte Alexios; der Kaiser achtete sehr auf die Fußbekleidung seiner Soldaten.
Das Benehmen der Fremden entsprach genau dem, was Alexios erwartet hatte: hochmütig, unverschämt und unhöflich. Sie staksten voller unerträglichem Stolz durchs Lager, grüßten einander mit flegelhaften Gesten, und ihre Gespräche wurden oft durch lautes, ungezügeltes Lachen unterbrochen. Sie sprachen mit lauter Stimme und benahmen sich barsch - mit einem Wort: Sie waren primitiv. Sie verhielten sich, als seien sie nicht im mindesten zivilisiert und hätten nichts als Stroh im Kopf. Sie waren ungeladene Gäste in einem Land fern ihrer Heimat. Um der Liebe Christi willen, bedeutete ihnen das denn gar nichts?
Mit der Arroganz und dem Ehrgeiz ihrer Anführer hatte man rechnen müssen, aber die beiläufige Brutalität der einfachen Kämpfer war eine unerwartete und böse Überraschung. Alexios sah darin die häßliche Fratze einer bösen Macht - eine Sündhaftigkeit, die ihren Ursprung in einem Herzen aus Haß, Ignoranz und Gier hatte.
Nachdem er genug gesehen hatte, wandte sich der Kaiser ab und eilte in den Palast zurück, um seine Berater zu sich zu rufen und sich auf die bevorstehende Schlacht vorzubereiten. Als er schließlich durch die Geheimtür wieder in den Palast schlüpfte, hatte Ale-xios bereits seinen ersten Schlag geplant. Es würde den Feind in Form eines Geschenks treffen, hatte er beschlossen - oder besser noch: in Form vieler Geschenke. Je ausgefallener und teurer desto besser.
er Kaiser ließ seine ungehörigen Besucher neun Tage lang warten; dann sandte er den Kommandanten der Exkubiten mit einer Vorladung hinaus. »Der Kaiser wird euch jetzt empfangen«, informierte Niketas Gottfried und Balduin mit eisiger Stimme. »Macht euch bereit. Morgen früh wird man euch eine Eskorte schicken, die euch zum Palast geleiten wird.«
Am nächsten Tag wurden Gottfried, Herzog von Bouillon, und Balduin von Boulogne, jeder mit einem Gefolge aus Edelleuten, in den großen Empfangssaal des Blachernenpalastes geführt. Die beiden Fürsten und ihr Gefolge schritten mit vor Staunen weit aufgerissenen Augen durch die Pracht des Palastes. Polierte, blaßgrüne Marmorböden erstreckten sich unter einer mit Gold verzierten Decke, die auf einem Wald aus grazilen Marmorpfeilern ruhte, die so rein und weiß waren, daß sie mit dem Licht des Mondes zu strahlen schienen.
Geführt vom Magister Officiorum, der würdevoll seinen elfenbeinernen Amtsstab in die Höhe hielt, passierten die Römer zwei riesige Tore aus poliertem Kupfer, die sich geräuschlos öffneten, um den Weg in einen Raum freizugeben, welcher alles an Pracht übertraf, was sie bisher gesehen hatten. Seltener blauer und grüner Marmor, der unter enormem Kostenaufwand aus den entlegensten Winkeln des Reiches herbeigeschafft worden war, zierte Wände und Boden und schimmerte im Licht Hunderter parfümierter Kerzen, die in goldenen Leuchtern überall im Raum verteilt waren.
Vor ihnen auf einer Empore aus Porphyr, gekleidet in seine purpurfarbenen Staatsgewänder, die goldene, mit Rubinen und Perlen verzierte Krone auf dem Haupt, saß Basileus Alexios Komnenos, Auserwählter des Himmels, Herrscher der gesamten Christenheit, Gottes Stellvertreter auf Erden und Nachfolger der Apostel. Wenn ihr erster Blick auf den mächtigsten lebenden Mann die Herren des Westens nicht beeindruckt hatte, so erregte sie der Anblick des Thrones aus purem Gold bis tief in ihre Seelen hinein. Auch bemerkten sie die beeindruckende Präsenz der in drei Reihen angetretenen warägischen Leibgarde des Kaisers, die mit Äxten und silbernen Schilden ausgestattet war und deren Helme mit Lapislazuli und deren Harnische mit Gold besetzt waren.
Gottfried und Balduin waren erstaunt, erregt, fasziniert und erfreut über alles, was sie sahen. Auch wenn sie dem Mann mit Gleichgültigkeit begegneten, so konnten sie doch weder seinen Reichtum ignorieren noch die Macht, die ihm zur Verfügung
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