Der Sohn des Kreuzfahrers
Folge gehabt, was er verabscheute.
Er hielt weiter auf sein Ziel zu und erreichte schließlich das Ende des Schmiedeviertels, wo er stehenblieb und zum erstenmal auf das Lager der Pilger blickte, die ihre Zelte weit jenseits der den Toren vorgelagerten Ebene aufgeschlagen hatten - bei der Ebene handelte es sich um einen Teil der alten Salzmarschen, die vor langer Zeit trockengelegt worden waren. Überall auf den Hängen, die das Goldene Horn umgaben, waren kleine, dunkle Zelte verteilt - eine unreine Flut, die drohte, sich ins Wasser des Bosporus zu ergießen. Der Rauch der Kochfeuer hing über dem Lager, so daß Alexios das Gefühl hatte, auf eine dunkle Bergkette zu blicken, die von grauen Gewitterwolken verhangen war. Diese finsteren Berge erstreckten sich, so weit das Auge reichte. Das waren Tausende - Zehntausende! Und den Berichten der Kundschafter und Spione zufolge war dies nur die erste von vielen Gruppen, die durch das Reich marschierten, und alle hielten sie auf die Hauptstadt zu.
Alexios ging näher heran. Von der äußeren Grenze des Lagers aus konnte er inmitten des Rauchs die Pferche kaum erkennen, in denen die Pferde der Franken standen. Doch obwohl er die Tiere nicht sehen konnte, so konnte er sie doch riechen - selbst auf diese Entfernung war der Geruch von Pferdedung unverkennbar. In größerer Nähe würde der Gestank geradezu überwältigend sein. Dennoch beschloß der Kaiser, sich die Sache näher anzuschauen, und so machte er sich auf den Weg über die Ebene; er wollte die verrückten Römer in Fleisch und Blut sehen.
Nicht, daß ihm der Anblick unvertraut gewesen wäre: In jungen Jahren hatte er eine seiner ersten Schlachten als Kaiser gegen eben diese Art Männer geschlagen. Über Jahre hinweg hatte er gegen den hinterlistigen Robert Guiscard gekämpft, bis der sture Herzog schließlich den Kampf aufgegeben hatte und nach kurzem Widerstand dem Fleckfieber erlegen war. Nach dem Tod des alten Herzogs hatten seine Söhne begonnen, sich untereinander um die Nachfolge zu streiten, und so hatte sich das Reich auf die Verteidigung seiner Nordgrenzen konzentrieren und sich der neuen, wachsenden Bedrohung im Osten stellen können, die von den Seldschuken ausging.
Nun waren die Römer - wie sie sich selber gerne bezeichneten -wieder zurückgekehrt, und die Tatsache, daß sie hier waren, um Ale-xios bei der Rückeroberung des Heiligen Landes zu helfen, freute ihn bei weitem nicht so sehr, wie man hätte erwarten können. In Robert Guiscard hatte er das wahre Gesicht des Westens gesehen, und er hatte guten Grund, dieses Gesicht zu hassen und zu verachten. Zum Wohle des Reiches jedoch durfte er nicht zulassen, daß diese Gefühle seine Verhandlungen mit den Anführern der Pilger beeinträchtigten. Er würde sie empfangen; er würde sie sogar willkommen heißen, doch er würde ihnen nicht glauben, und niemals, niemals, würde er ihnen vertrauen.
Als Alexios sich der ersten Reihe von Zelten näherte, bemerkte er eine beachtliche Zahl von Kaufleuten, die den Pilgern ihre Waren feilboten - alles von wertvollem Schmuck über Seidenstoffe, für die die Weber von Byzanz berühmt waren, bis hin zu Kohlsuppe, gekochten Eiern und Brot. Beim Näherkommen bemerkte er einen schrillen Unterton in den Stimmen der Kaufleute, und schon bald erkannte er, daß die Geschäfte offensichtlich nicht so liefen wie gewohnt. Als ihm mehrere Händler entgegenkamen, die mürrisch ihre noch immer mit Waren vollbeladenen Karren vor sich her schoben, grüßte Alexios einen von ihnen und fragte ihn, was denn los sei.
»Argh!« Der Kaufmann rollte mit den Augen. »Beim Licht des Himmels, diese Römer sind schlimmer als die Barbaren! Sie wollen alles, nur nicht zahlen. Man kann nicht mit ihnen reden. Ich bin fertig hier.«
Bevor der Kaiser etwas darauf erwidern konnte, verlangte der Mann zu wissen: »Halten sie uns etwa für Trottel, die ihre Waren verschenken? Seht Euch doch nur mal diese Melonen an!« Er nahm eine reife Frucht von dem ordentlichen Stapel auf seinem Karren. »Habt Ihr schon jemals so schöne Melonen gesehen? Und diese Aprikosen! Hier, versucht eine. Habt Ihr schon einmal solche Aprikosen gegessen?«
Nein, bestätigte der Kaiser dem Mann, er habe wirklich noch nie solch wunderbare Aprikosen gegessen.
»Natürlich nicht!« schrie der Händler. »Ich baue sie selbst an! Das sind Früchte, die der Tafel des Basileus höchstpersönlich würdig sind! Und was tun die da? Sie rümpfen ihre Nasen über mich!« Der Mann
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